aaa) Besitz

 

Rn. 189d

Stand: EL 142 – ET: 04/2020

Zivilrechtliche Eigentumsvermutung des (Eigen-)Besitzers: Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird gemäß § 1006 Abs 1 S 1 BGB grds vermutet, dass er zivilrechtlicher Eigentümer der Sache ist. Erforderlich ist insoweit Eigenbesitz, dh der Besitzer muss die Sache als ihm gehörend besitzen (§ 872 BGB), für Fremdbesitzer, dh diejenigen, die eine Sache für einen anderen besitzen (Bsp Mieter, Pächter, Entleiher, Pfandgläubiger, Erwerber bei Eigentumsvorbehalt), scheidet die Eigentumsvermutung aus. Insoweit sie eingreift, führt sie bilanziell allerdings in eine Sackgasse: Zugunsten des Besitzers wird zivilrechtliches Eigentum vermutet, dieses ist zwar Ausgangspunkt der bilanziellen Zurechnung, bei abweichendem wirtschaftlichem Eigentum aber nicht entscheidend.

Zurechnungsrelevanter Besitzbegriff: Unter Besitz als zurechnungsrelevante Herrschaftsbefugnis bei beweglichen WG ist nicht der Eigenbesitz iS § 854 BGB, sondern vielmehr der "Besitz in Erwartung des Eigentumserwerbs" zu verstehen (zB BFH v 15.03.1973, VIII R 90/70, BStBl II 1973, 591; BFH v 15.03.2002, X B 175/01, BFH/NV 2002, 944; BFH v 13.01.2006, I B 93/05, BFH/NV 2006, 706; BFH v 01.02.2012, I R 57/10, BStBl II 2012, 407). Besitz ist die tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache (§ 854 Abs 1 BGB). Zum Erwerb des Besitzes genügt die Einigung zwischen bisherigem Besitzer und Erwerber, wenn der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben (§ 854 Abs 2 BGB). Besitz kann nur an eindeutig bestimmten Sachen verschafft werden; der Bestimmtheitsgrundsatz gilt bei der Besitzverschaffung durch Übergabe ebenso wie bei Besitzverschaffung durch Übergabeersatz; auch ein Besitzmittlungsverhältnis kann sich nur auf konkrete, individuell bestimmte Sachen beziehen (BGH v 13.06.1956, IV ZR 24/56, NJW 1956, 1315; BFH v 06.08.1971, III R 89/68, BStBl II 1972, 28).

Besitzloses wirtschaftliches Eigentum: Trotz der für bewegliche WG herausgehobenen Bedeutung des Besitzkriteriums schließt (noch) fehlender Besitz – ebenso wie bei der Zurechnung von Grundstücken (s Rn 170d) oder Beteiligungen an KapGes – auch insoweit eine Zurechnung zum Nichteigentümer nicht per se aus. Besitzloses wirtschaftliches Eigentum setzt grds voraus, dass der zivilrechtliche Eigentümer den Weisungen des Nichteigentümers zu folgen verpflichtet ist und dieser jederzeit die Herausgabe (Übertragung des Eigentums an sich) verlangen kann, er also in der Lage ist, gleich einem Eigentümer die wirtschaftliche Herrschaftsmacht über das WG auszuüben, so dass die zivilrechtliche Eigentümerstellung sich als derart ausgehöhlt erweist, dass ihr nicht die gewöhnlich mit ihr verbundene Herrschaftsmacht zukommt (BFH v 29.10.1986, II R 229/81, BFH/NV 1988, 20).

aab) Nutzung

 

Rn. 189e

Stand: EL 142 – ET: 04/2020

Nutzung ist denkbar in Gestalt laufender Nutzung (Fruchtziehung) sowie Nutzung durch Veräußerung/Belastung. Die laufende Nutzung durch einen Nichteigentümer setzt zunächst grds dessen Besitz voraus, die Befugnis zur laufenden Nutzung ist idR mit der Besitzverschaffung verbunden. Die laufende Nutzung(smöglichkeit) eines beweglichen abnutzbaren WG durch einen Nichteigentümer (zB auf der Grundlage eines Miet-/Leasingverhältnisses) verkörpert die wesentliche positive Substanz des WG dann, wenn die vertragliche Nutzung(sbefugnis) so umfassend ist, dass sich das WG beim Nichteigentümer planmäßig nahezu vollständig verbraucht (Vollverschleiß). Vollzieht sich der Wertverzehr nahezu ausschließlich in der Sphäre des Nichteigentümers, so dass ein Herausgabeanspruch des Eigentümers (nahezu) wertlos ist, ist der Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das WG ausgeschlossen. Ein Substanztransfer auf den Nichteigentümer hat in diesem Fall stattgefunden. Auf diese Wertung ist insb auch die Annahme eines Zurechnungswechsels bei Leasingverträgen über bewegliche WG gestützt, wenn die unkündbare (Grund-)Mietzeit mehr als 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes umfasst (BMF v 19.04.1971, BStBl I 1971, 264).

Eine vom zivilrechtlichen Eigentum abweichende Zurechnung beweglicher WG ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die rechtliche Verfügungsbefugnis beim Eigentümer verbleibt. § 39 Abs 2 Nr 1 AO adressiert gerade eine Zurechnung abweichend vom zivilrechtlichen Eigentum; die fehlende freie bürgerlich-rechtliche Übertragbarkeit durch den potenziellen wirtschaftlichen Eigentümer ist Folge mangelnden, für die Beurteilung indessen zurücktretenden zivilrechtlichen Eigentums (BFH v 27.11.1996, X R 92/92, BStBl II 1998, 97). Die Zurechnung zu einem Nichteigentümer setzt auch insoweit (nur) voraus, dass der Nichteigentümer in der Lage ist, den zivilrechtlichen Eigentümer von der Einwirkung auf das WG auszuschließen, dh ihn an der Veräußerung/Belastung des WG (und damit auch an einer Realisation stiller Reserven) zu hindern (BFH v 26.07.2001, VI R 122/98, BStBl II 2001, 844 zu "beamteneigenen" Kfz).

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