Rn. 856

Stand: EL 100 – ET: 08/2013

Es handelt sich um die handelsbilanzrechtliche Bezeichnung für eine besondere Art von Passivposten, § 247 Abs 3 HGB aF, in dem steuersubventionelle Förderungsmaßnahmen bilanziell gespeichert werden. Man spricht auch von steuerfreien Rücklagen, meint damit vorerst gewinnmindernd gebildete Posten, die irgendwann einmal später wieder zugunsten des handels- und steuerbilanziellen Ergebnisses aufzulösen sind. Betriebswirtschaftlich kommt diesem Posten ein Mischcharakter zu: Soweit die Besteuerung aufgeschoben ist (Steueranteil), handelt es sich um FK, im Übrigen um EK. KapGes dürften nach § 273 HGB aF in der HB solche Posten nur insoweit ansetzen, als das Steuerrecht ihre vorgreifliche Bildung in der HB zur Anerkennung verlangt (sog umgekehrte Maßgeblichkeit, s Rn 335).

Die Umkehrmaßgeblichkeit ist durch das BilMoG aufgehoben worden. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der steuerlichen Subventionen (in der StB) ist nicht mehr der vorgreifliche Ansatz in der HB als Sonderposten, sondern die Aufnahme in ein besonderes Verzeichnis (s Rn 337b), obwohl dieses die Sonderposten nicht enthalten soll (R 6.6 Abs 1 Nr 3 EStR 2012). In der HB kann ein solcher Sonderposten nicht mehr gebildet werden.

Die Begriffsbildung "Sonderposten …" ist mit Abschaffung der §§ 254, 273 HGB durch das ­BilMoG überholt. Gleichwohl wird hier diese Wortwahl mangels einer besseren Begrifflichkeit beibehalten.

 

Bsp für Sonderposten mit Rücklageanteil nach geltendem Recht:

- Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 6.6 EStR 2012;
- Rücklage nach § 6b Abs 3 EStG (Reinvestitionsrücklage);
- Übergangsregelung gem § 52 Abs 16 EStG (s Rn 858).
 

Rn. 857

Stand: EL 100 – ET: 08/2013

Die Rücklage für Ersatzbeschaffung (RfE) durchbricht den Realisationsgrundsatz. Die Rechtsgrundlage ist eher unklar, häufig wird von Gewohnheitsrecht gesprochen (BFH BStBl II 1985, 250; 1988, 330). Entsprechend befürwortet Ebling in FS Moxter, 1994, 1005 eine gesetzliche Regelung. Jedenfalls besteht nach Maßgabe von R 6.6 EStR 2012 einstweilen hinsichtlich der Ausgestaltung im Einzelnen Rechtssicherheit. Materiell geht es bei der RfE um die Übertragung eines zwangsweise entstandenen Gewinnes auf ein Ersatz-WG mit entsprechender Minderung der AK oder HK für dieses Ersatz-WG u damit einer Verringerung der AfA-Bemessungsgrundlage. "Zwangsweise" wird durch folgende Ereignisse erfüllt:

- Ausscheiden eines WG aufgrund höherer Gewalt,
- Verkauf zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs oder
- bei unverschuldetem Verkehrsunfall (BFH BStBl II 2001, 130).

Tatbestandlich sind weiter erforderlich das Vorliegen einer Entschädigung für das betreffende WG ohne Berücksichtigung von Folgeschäden (BFH BStBl II 1982, 568) sowie die am Bilanzstichtag bestehende Absicht der Ersatzbeschaffung durch Anschaffung oder Herstellung. Diese Ersatzbeschaffung muss sich auf ein funktionsgleiches WG beziehen (BFH BFH/NV 1999, 1010; BStBl II 1999, 488) und im gleichen Betrieb (Fall mehrerer Betriebsstätten) erfolgen (BFH BStBl II 2004, 421).

Als "höhere" Gewalt gelten Elementarschäden (Erdbeben, Brand, Sturm etc, auch Bergschäden gem FG Köln EFG 2002, 1288), aber auch Diebstahl, Raub o unverschuldeter Unfall (R 6.6 Abs 2 EStR 2012). Zu behördlichen Eingriffen zählen insb Enteignung ua öff Zwangsmaßnahmen.

Die Änderung eines Bebauungsplanes rechtfertigt keine RfE (BFH BStBl II 1991, 222). Gleiches gilt für Strukturanpassungsmaßnahmen, zB Verbot einer Betriebsumstellung (BFH BFH/NV 1993, 461). Der Grundstückswert im Flurbereinigungsverfahren (Umlegung) führt andererseits schon deswegen nicht zu einer Gewinnrealisierung, weil diese Grundstücke als wirtschaftlich identisch angesehen werden (Schmidt/Weber-Grellet, § 5 EStG Rz 635, 29. Aufl). Der BFH v 13.10.2010, I R 79/09, BFH/NV 2011, 521 mit Kommentierung von Hoffmann, GmbHR 2011, 262 lehnt die Bildung eine RfE für den Gewinn aus einem Squeeze-out trotz der ebenfalls bestehenden Zwangslage ab. Dagegen mit beachtlichen Argumenten Luttermann, FR 2010, 193.

Die Entnahme eines WG kann nicht durch eine RfE gewinnmäßig neutralisiert werden (BFH BStBl II 1973, 582), u entsprechend ist auch die Einlage eines Ersatz-WG keine Ersatzbeschaffung (BFH BStBl II 1985, 250). Im Falle eines hoheitlich veranlassten Verkaufs kann statt der RfE auch eine Rücklage nach § 6b EStG zur Vermeidung der Gewinnrealisierung in Betracht kommen ­(Kanzler, FR 2001, 1224).

Erweiternd lässt die FinVerw in R 6.6 Abs 5 6 EStR 2012 auch in Fällen der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen, nach § 4 Abs 3 EStG sowie bei Gewinnschätzungen aus Billigkeitsgründen unter den weiteren Voraussetzungen die Übertragung der stillen Reserven zu. Auch für die Behebung von Beschädigungen an WG infolge von Elementarereignissen ist die Gewinnneutralisierung analog der Ersatzbeschaffung möglich (R 6.6 Abs 7 EStR 2012). Sofern der Schadensersatzverpflichtete (im Falle eines Gebäudeschadens) seine Leistung einschließlich USt erbringt, obwohl der Geschädigte zum Vorsteuerabzug berechtig...

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