Rn. 12

Stand: EL 139 – ET: 10/2019

Zweck steuerlicher Gewinnermittlung ist die Messung des "vollen"/"wirklichen" Gewinns als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit (§ 2 Abs 2 Nr 1 EStG) zur Sicherstellung einer gesetzmäßigen, insb gleichmäßigen Besteuerung (BFH v 02.03.1969, GrS 2/68, BStBl II 1969, 291; BFH v 21.10.1993, IV R 87/92, BStBl II 1994, 176; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, 2003, 325; Weber-Grellet, DB 2010, 2298f mwN).

Der handelsrechtliche JA ist demgegenüber auf die vorsichtige u objektivierte Ermittlung eines entnahmefähigen Gewinns gerichtet. Der Zweck- u Adressatensingularität steuerlicher Gewinnermittlung steht mit Ausschüttungsbemessungs-/Kapitalerhaltungs- u Informationsfunktion der Zweck- u Adressatenpluralismus des handelsrechtlichen JA gegenüber.

Kern der kaufmännischen u damit auch steuerlichen Gewinnermittlung ist die Bestimmung des Rein-BV, also des bilanziellen EK. Der durch BV-Vergleich ermittelte "entziehbare" Gewinn (Begriffsprägung durch Moxter, Bilanzrechtsprechung 1993, 7; Moxter, FS L. Schmidt, 1993, 201) soll auch der Besteuerung zugrunde gelegt werden (Maßgeblichkeitsgrundsatz, § 5 Abs 1 EStG, s Rn 325ff). Der Fiskus dürfe als "stiller Teilhaber" hinsichtlich seiner Partizipation am Erfolg des Unternehmens nicht besser gestellt werden als der Anteilseigner (Döllerer, BB 1988, 238; Stobbe, FR 1997, 361; Groh in FS Börner, 1998, 177). Als (partiarischer) Großgläubiger müsse der Fiskus auch das Gläubigerschutzprinzip gegen sich gelten lassen (Beisse, FS Beusch, 1993, 84). Mit der Verknüpfung von handels- u steuerlicher Gewinnermittlung durch den Maßgeblichkeitsgrundsatz u die damit erfolgende Anbindung auch der steuerlichen Gewinnermittlung an das Vorsichtsprinzip übernimmt dieses zugleich eine Abwehrfunktion gegen "fiskalische Raubzüge".

 

Rn. 13

Stand: EL 139 – ET: 10/2019

Speziell dem – die handelsrechtliche Gewinnermittlung dominierenden, dem Gläubigerschutzgedanken verhafteten – Vorsichtsprinzip wird eine Vereinbarkeit mit dem Zweck steuerlicher Gewinnermittlung abgesprochen; das Vorsichtsprinzip sei insb nicht mit einer entscheidungsneutralen Gewinnbesteuerung vereinbar, die darauf abziele, positive u negative Wertänderungen gleichermaßen zu erfassen u einen ökonomischen Gewinn zu besteuern (Wagner, 1990, StuW 1990, 12; Ballwieser, BFuP 1990, 489; Pezzer, DStJG 14 1991, 17ff; Doralt, DB 1998, 1358; Weber-Grellet, BB 1999, 2660). Mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip, dem sich die Gewinnermittlung für steuerliche Zwecke zu unterwerfen habe, sei eine "einseitige" Betonung des Vorsichtsgedankens (Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht 1996, § 1 Rz 17) sowie die Betonung des Gläubigerschutzes nicht vereinbar. Der leistungsfähigkeitsgerechte volle Gewinn müsse nach Maßgabe einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ausgewiesen werden.

 

Beispiel:

Ein Kreditinstitut erwirbt Wechsel zum Nennbetrag abzüglich eines (laufzeitabhängigen) Diskonts, weist die angekauften Wechsel nach Bilanzierungsgrundsätzen für Anschaffungsgeschäfte zu AK aus u realisiert den Aufzinsungsgewinn erst bei Einlösung im Folgejahr.

Nach zT vertretener Auffassung widerspricht diese Abbildung dem Zweck der StB, die formalistische Betrachtungsweise des BFH sei durch eine "wirtschaftliche" zu ersetzen (Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, 1996, § 2 Rz 2, 11; krit auch Groh, FR 1995, 581; Moxter, BB 1995, 1997). Der BFH hat diese Bilanzierung gleichwohl bestätigt (BFH v 26.04.1995, I R 92/94, BStBl II 1995, 594): Die Aktivierung eines erworbenen Wechsels hat zu AK zu erfolgen, einer (vorzeitigen) Erfassung des auf die Zeit zwischen Erwerb u Bilanzstichtag rechnerisch entfallenden Diskonts als nachträgliche AK oder Teilwertsteigerung steht das auch im Steuerrecht normierte AK-Prinzip (§ 6 Abs 1 Nr 2 S 3 EStG) entgegen. Die mit dem Wechsel erworbene Forderung gegen den Wechselverpflichteten ist aufschiebend bedingt u als solche bis zum Bedingungseintritt nicht zu aktivieren, weil sie erst mit Eintritt der Bedingung (= Realisationsereignis) entsteht, § 158 Abs 1 BGB (zuletzt BFH v 26.04.2018, III R 5/16, BStBl II 2018, 536).

Eine passive Abgrenzung scheidet aus, da diese wiederum den – grds unzulässigen – Ansatz des Wechsels oder einer Forderung gegen den Wechselverpflichteten in Höhe des Wechselnennwerts voraussetzt u eine mit einem Dauerschuldverhältnis vergleichbare Vorleistung pro rata temporis seitens des erwerbenden Kreditinstituts nicht erbracht werde. Auch für eine aktive Rechnungsabgrenzung sieht der BFH keinen Raum, da der Diskont keine Ausgabe vor dem Abschlussstichtag darstellt, der Aufwand für eine bestimmte Zeit danach wäre (§ 5 Abs 5 S 1 Nr 1 EStG). Der BFH räumt insoweit ein, dass der Wechselankäufer "tatsächlich" um den zeitanteiligen Diskont "reicher" u damit im steuerlichen Sinn leistungsfähiger sei, weil er seine Forderungen – durch Inanspruchnahme einer der beteiligten Parteien – realisieren wird; bis zur Realisation müsse die durch Zeitablauf eingetretene Wertsteigerung gleichwohl steuerlich...

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