Rn. 300

Stand: EL 150 – ET: 04/2021

§ 5 EStG ist eine Kernvorschrift des Bilanzsteuerrechts. Die §§ 4, 5 EStG bilden zusammen die zentralen Regelungen steuerlicher Gewinnermittlung iRd Gewinneinkunftsarten (§ 2 Abs 1 Nr 1–3 EStG). § 5 Abs 1 EStG schließt systematisch an § 4 Abs 1 EStG an und bestimmt mit der Anordnung materieller Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB, welches Vermögen nach welchen Bewertungsgrundsätzen in den BV-Vergleich (§ 4 Abs 1 EStG) einzubeziehen ist. Die (Vor-)Frage, ob bzw ab/bis wann in die Gewinnermittlung einzubeziehendes BV vorliegt, wird durch § 4 Abs 1 EStG beantwortet. Die §§ 4, 5 EStG greifen hier ineinander, die Gewinnermittlung durch Bilanzierung nach § 5 EStG ist eine Form des BV-Vergleichs iSd § 4 Abs 1 EStG, bei der neben den Vorgaben des § 4 EStG die handelsrechtlichen GoB zu beachten sind.

Zu den Grundlagen der steuerlichen Gewinnermittlung und die Bezugnahme auf das Handelsrecht s Rn 1–428.

§ 5 EStG ist systematisch dreigeteilt in

(1)

allg Gewinnermittlungsregeln

  • Abs 1: Anordnung der Gewinnermittlung durch BV-Vergleich (§ 4 Abs 1 EStG) das nach handelsrechtlichen GoB ermittelte BV zu Grunde zu legen (sog materielle Maßgeblichkeit), vorausgesetzt, es wird nicht iRd autonomen Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts ein anderer Ansatz gewählt (steuerlicher Wahlrechtsvorbehalt)
  • Abs 6: Anordnung des allg Steuervorbehalts (insb steuerlicher Bewertungsvorbehalt) als bilanzpostenübergreifende Einschränkung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes
(2)

spezielle, den Maßgeblichkeitsgrundsatz konkretisierende Regeln

  • Abs 1a S 2: Anordnung der Maßgeblichkeit konkreter Ergebnisse bei der Bildung kompensatorischer Bewertungseinheiten zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken (sog konkrete Maßgeblichkeit)
(3)

spezielle, den Maßgeblichkeitsgrundsatz bilanzpostenspezifisch brechende Regeln

  • Abs 1a S 1: steuerliches Saldierungsverbot (mit Relevanz insb für die gem § 246 Abs 2 S 2 HGB verpflichtend mit Deckungsvermögen zu saldierenden Altersversorgungsverpflichtungen)
  • Abs 2: Aktivierungsverbot für selbsterstellte immaterielle WG des AV
  • Abs 2a: Passivierungsaufschub für bedingt (aus künftigen Einnahmen/Gewinnen) zu erfüllende Verpflichtungen
  • Abs 3: besondere Passivierungsvoraussetzungen für Rückstellungen wegen Schutzrechtsverletzungen
  • Abs 4: besondere Passivierungsvoraussetzungen für Rückstellungen wegen Zuwendungen anlässlich Dienstjubiläen
  • Abs 4a: Passivierungsverbot für Drohverlustrückstellungen (mit Ausnahme der Ergebnisse aus Bewertungseinheiten)
  • Abs 4b: Passivierungsverbot für Rückstellungen für künftige AK/HK (und für die Verpflichtung zur schadlosen Verwertung radioaktiver Reststoffe)
  • Abs 5: Vorgaben für den Ansatz von Rechnungsabgrenzungsposten
  • Abs 7: Passivierungsbeschränkungen bei Verpflichtungsübernahme, interpersonelle bilanzielle Verknüpfung steuerlicher Ansatzverbote/-beschränkungen/Bewertungsvorbehalte zwischen Übertragendem und Übernehmendem

Die in § 5 EStG verankerten maßgeblichkeitsbrechenden Regelungen sind zu wesentlichen Teilen Reaktionen des Gesetzgebers auf antifiskalische BFH-Rspr (insb zu Rückstellungen/Verbindlichkeiten), zT zielen sie darauf ab, die Besteuerung nicht hinreichend sicherer Gewinnbestandteile zu verhindern und die Gewinnermittlung zu objektivieren (Aktivierungsverbot für selbst erstellte immaterielle WG des AV), zT sind sie lediglich klarstellender Natur (Bsp bzgl RAP).

 

Rn. 300a

Stand: EL 140 – ET: 12/2019

Das BVerfG lehnt es ab, die handelsrechtlichen GoB als systemübergreifende Belastungsentscheidung des Gesetzgebers zu qualifizieren und verweist insoweit auf den allg steuerlichen Bewertungsvorbehalt (§ 5 Abs 6 EStG), die ergänzenden speziellen steuerlichen Beschränkungen des Maßgeblichkeitsgrundsatzes sowie die nur partiell gegebene Übereinstimmung der Zielhorizonte von HB und StB (BVerfG v 12.05.2009, 2 BvL 1/00, BStBl II 2009, 685). Insb die Maßgeblichkeit des handelsrechtlichen Vorsichtsprinzips lasse sich für die Bildung von Rückstellungen in der StB nicht als eine grundlegende Entscheidung des Gesetzgebers über eine steuergerechte Lastenverteilung deuten. Der Maßgeblichkeitsgrundsatz wird vielmehr als untergeordneter allg Grundsatz ohne Verfassungsrang eingestuft, der bis zur Grenze der Willkür zur Disposition des Gesetzgebers stehe ("entwicklungsoffene Leitlinie", BVerfG v 12.05.2009, 2 BvL 1/00 zu Jubiläumsrückstellungen iS § 5 Abs 4 EStG). Von dieser Dispositionsfreiheit macht der Gesetzgeber steten Gebrauch. Angesichts der denkbar niedrigen verfassungsrechtlichen Hürde für maßgeblichkeitsbrechende steuerliche Regelungen (Willkürkontrolle) bleiben Durchbrechungen, für die sich ein nicht willkürlicher Sachgrund finden lässt, verfassungsrechtlich unbeanstandet.

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