Rn. 120

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Die Regelung des § 38 Abs 4 EStG ist im Zusammenhang mit § 38 Abs 3 EStG zu sehen. Der Anspruch des Staates auf LSt ist ein Geldleistungsanspruch, der regelmäßig aus dem (Brutto-)Barlohn des ArbN befriedigt wird. Der ArbG ist jedoch nur dann in der Lage, seiner Verpflichtung zum Einbehalt der LSt nachzukommen, wenn der von ihm zu zahlende Barlohn die einzubehaltende LSt deckt. Dies ist zwar regelmäßig der Fall, Ausnahmen von diesem Regelfall aber durchaus denkbar, etwa bei Gewährung hoher Sachbezüge oder geldwerter Vorteile, bei der Arbeitslohnzahlung durch Dritte (zB bei Trinkgeldern), bei Abschlagszahlungen gemäß § 39b Abs 5 EStG ohne LSt-Einbehalt oder bei der Neuberechnung der LSt bei Nichtangabe der ID-Nr sowie des Tages der Geburt nach § 39c Abs 2 EStG (s Hess in Lademann, § 38 EStG Rz 201 (April 2017)).

Die Konsequenzen, die sich aus solch einer Situation des Barlohnmangels ergeben, regelt § 38 Abs 4 EStG. Der ArbN hat dem ArbG danach entweder den Fehlbetrag zur Verfügung zu stellen, oder der ArbG hat einen entsprechenden Teil der Bezüge des ArbN zurückzubehalten (s § 38 Abs 4 S 1 EStG).

A. Ausgleich des Fehlbetrages durch den ArbN oder Zurückbehaltungspflicht des ArbG (§ 38 Abs 4 S 1 EStG)

 

Rn. 121

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Die Zurückbehaltungspflicht des ArbG soll gegenüber der Verpflichtung des ArbN zum Ausgleich des Fehlbetrages vorrangig sein (s Seifert in Korn, § 38 EStG Rz 56 (Oktober 2017); aA s Stache in Bordewin/Brandt, § 38 EStG Rz 142 (Juni 2012), der davon ausgeht, dass primär der ArbN entscheidet, ob er dem ArbG zur Abdeckung des Fehlbetrages Geldmittel zur Verfügung stellt oder ob er sich auf die Tilgung in Form des Zurückbehalts von Teilen des Arbeitslohns einlässt; wiederum anders Hess in Lademann, § 38 EStG Rz 201 (April 2017), der von einem Wahlrecht des ArbG ausgeht).

Die Zurückbehaltung von anderen Bezügen kann zB dadurch erfolgen, dass der ArbG dem ArbN zustehenden Reisekostenersatz oder nach DBA steuerfreien Arbeitslohn nicht diesem auszahlt, sondern für Zwecke des LSt-Abzugs einbehält.

Die Verpflichtung des ArbN, dem ArbG den Fehlbetrag zur Verfügung zu stellen, stellt keine arbeitsvertragliche Verpflichtung gegenüber dem ArbG dar, sondern ist eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung gegenüber der FinBeh, deren Erfüllung auch mit Zwangsmitteln iSd §§ 328ff AO durchgesetzt werden kann.

B. Anzeigepflicht des ArbG an das Betriebsstätten-FA (§ 38 Abs 4 S 2 EStG)

 

Rn. 122

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Soweit der ArbG einen Fehlbetrag nicht durch Zurückbehaltung von anderen Bezügen des ArbN aufbringen kann und der ArbN seiner gemäß § 38 Abs 4 S 1 EStG bestehenden gesetzlichen Pflicht zum Ausgleich des Fehlbetrages nicht nachkommt, trifft den ArbG gemäß § 38 Abs 4 S 2 EStG eine Anzeigepflicht gegenüber seinem Betriebsstätten-FA (§ 41a Abs 1 S 1 Nr 1 EStG = FA, in dessen Bezirk sich die Betriebsstätte befindet).

Der ArbG hat die Anzeige unverzüglich – also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs 1 S 1 BGB) – abzugeben (s R 41c.2 Abs 1 S 1 LStR 2023; s Seifert in Korn, § 38 EStG Rz 57 (Oktober 2017)).

 

Rn. 123

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

 

Hinweis: Form der Anzeige gemäß § 38 Abs 4 S 2 EStG

Auch wenn aus dem Gesetz keine bestimmte Form für die Anzeige seitens des ArbG vorgegeben wird, hat diese nach Verwaltungsauffassung schriftlich zu erfolgen und muss

  • Name, Anschrift, Geburtsdatum und ID-Nr des ArbN,
  • seine LSt-Abzugsmerkmale (Steuerklasse/Faktor),
  • Zahl der Kinderfreibeträge,
  • Kirchensteuermerkmal und
  • ggf einen Freibetrag oder Hinzurechnungsbetrag sowie
  • den Anzeigegrund und
  • die für die Berechnung der LSt-Nachforderung erforderlichen Mitteilungen über Höhe und Art des Arbeitslohns

enthalten (R 41c.2 Abs 2 S 2 LStR 2023).

Aufgrund der Wirkung einer ordnungsgemäßen Anzeige (Enthaftung), ist es – unabhängig von der gesetzlichen Lage – ratsam, die Anzeige in Schriftform mit den erforderlichen Informationen abzugeben (so auch s Stache in Bordewin/Brandt, § 38 EStG Rz 146 aE (Juni 2012)).

 

Rn. 124

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Erfolgt eine ordnungsgemäße Anzeige gemäß § 38 Abs 4 S 2 EStG, hat der ArbG seine lohnsteuerliche Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der LSt erfüllt, so dass die Inanspruchnahme des ArbG als Haftender für die durch das FA nachzufordernde LSt gemäß § 42d Abs 2 EStG (dazu s § 42d Rn 22ff (Nacke)) ausgeschlossen ist (BFH BFH/NV 2003, 109; Strohner in H/H/R, § 38 EStG Rz 56 (Juni 2022)). Sofern jedoch keine ordnungsgemäße Anzeige gemäß § 38 Abs 4 S 2 EStG erfolgt, haftet der ArbG gemäß § 42d Abs 1 Nr 1 EStG.

C. Mitteilungspflicht des ArbN bei Arbeitslohn von dritter Seite (§ 38 Abs 4 S 3 EStG)

 

Rn. 125

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Gemäß § 38 Abs 4 S 3 EStG hat der ArbN dem ArbG die von einem Dritten gewährten Bezüge am Ende des jeweiligen Lohnzahlungszeitraumes anzugeben. Der Begriff "Bezüge" umfasst sowohl Barlohn als auch Sachzuwendungen. Sofern die Bezüge jedoch in dem konkreten Fall nicht stpfl sind, zB weil der Dritte eine ertragsteuerlich abgeltende Pauschalierung gemäß § 37a bzw § 37b EStG vornimmt oder der Drittlohn gemäß § 3 Nr 38 EStG bzw Nr 51 EStG steuerfrei ist, dürfte keine Anzeigepflicht des ArbN vorliegen (so etwa s Seifert in Korn, § 38 EStG Rz 58 (Oktober 2017)).

Der ArbG hat die Informationen des ArbN über L...

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