Rn. 1

Stand: EL 157 – ET: 04/2022

Gewerbliche Einkünfte eines Unternehmers unterliegen sowohl der ESt als auch der GewSt. Ziel des § 35 EStG ist es, die doppelte Belastung der gewerblichen Einkünfte sowohl mit ESt als auch mit GewSt zu beseitigen bzw zu mindern. Zu diesem Zweck wird die ESt des Unternehmers durch eine pauschale Anrechnung der GewSt verringert. Die Anrechnung der GewSt auf die ESt wird in Höhe des 4fachen des GewSt-Messbetrages gewährt (sollte unter anderem an die seit 2008 deutlich gestiegenen Hebesätze angepasst werden, s Rn 9).

 

Rn. 2

Stand: EL 157 – ET: 04/2022

Die Anrechnung der GewSt auf die ESt soll bewirken, dass der Unternehmer – bei einem Hebesatz von bis zu etwa 420 % – im Ergebnis wirtschaftlich in vollem Umfang von der GewSt entlastet wird. Weil der SolZ und die KiSt an die ESt anknüpfen, kann sich sogar eine leichte Überkompensation ergeben (Förster, DB 2007, 760, 764; Förster, Ubg 2008, 186).

 

Rn. 3

Stand: EL 157 – ET: 04/2022

Bis einschließlich des VZ 2007 erfolgte die Entlastung gewerblicher Unternehmen über § 35 EStG zweistufig. Auf der ersten Stufe wurde ein Abzug der GewSt als BA zugelassen. Auf der zweiten Stufe ermäßigte sich die Steuer gemäß § 35 EStG. Im Ergebnis wurde dadurch bei einem Hebesatz von 310 % eine annähernde Vollentlastung von der GewSt erreicht. Die Ermäßigung war in Gestalt eines Ermäßigungshöchstbetrags auf die auf gewerbliche Einkünfte entfallende ESt beschränkt.

Ab dem VZ 2008 ist die GewSt wegen § 4 Abs 5b EStG weder bei der gewerbesteuerlichen noch bei der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage als BA abzugsfähig. Ab dem VZ 2008 bleibt als einzige Entlastungsmaßnahme somit nur noch § 35 EStG. Den Wegfall des BA-Abzugs der GewSt sollte jedoch die Erhöhung des Anrechnungsfaktors vom 1,8fachen auf das 3,8fache des GewSt-Messbetrages kompensieren.

Die Erhöhung vom 3,8fachen auf das 4fache in § 35 Abs 1 S 1 Nr 1 u 2 EStG durch Art 1 Nr 6 des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz), BGBl I 2020, 1512 soll die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie bekämpfen und der wirtschaftlichen Erholung dienen (BT-Drucks 19/20058, 1f). Zugleich wird dadurch den gestiegenen GewSt-Hebesätzen Rechnung getragen (BT-Drucks 19/20058, 22).

Handelsrechtlich ist die GewSt weiterhin als Aufwand zu erfassen. Dieser Aufwand ist für die steuerliche Gewinnermittlung aber außerbilanziell zu korrigieren.

 

Rn. 4

Stand: EL 157 – ET: 04/2022

Ab dem VZ 2008 ist die Ermäßigung gemäß § 35 EStG

doppelt beschränkt. Durch die doppelte Beschränkung der Anrechnung der GewSt wird eine Überkompensation der GewSt verhindert.

 

Rn. 5

Stand: EL 157 – ET: 04/2022

Um die Sonderbelastung der Gewerbetreibenden mit GewSt zu beseitigen, hätte es nahe gelegen, die GewSt gänzlich abzuschaffen. Dies hätte aber einen Eingriff in die Finanzautonomie der Kommunen bedeutet, der weder finanzverfassungsrechtlich (gemäß Art 28 Abs 2 S 3 Hs 2 GG hätte es hierzu einer Verfassungsänderung bedurft) noch politisch ohne weiteres durchsetzbar gewesen wäre.

 

Rn. 6

Stand: EL 157 – ET: 04/2022

Steuersystematisch ist es jedoch zweifelhaft, an Stelle einer Abschaffung der GewSt die gewerbesteuerliche Zusatzbelastung mit einer einkommensteuerlichen Ermäßigung zu mildern. Umso mehr gilt dies, als die Entlastungswirkung infolge hoher Hebesätze oder hoher Hinzurechnungen nach § 8 Nr 1 GewStG gerade dann verfehlt wird, wenn es zu einer hohen gewerbesteuerlichen Belastung kommt. Mag auch eine Sonderbelastung äquivalenztheoretisch gerechtfertigt sein, wirft dies dennoch die Frage nach der folgerichtigen Ausgestaltung der Regelung auf.

 

Rn. 7

Stand: EL 157 – ET: 04/2022

Die Ermäßigung der ESt durch pauschale Anrechnung der GewSt geht allein zu Lasten der Steuergläubiger der ESt. Im Ergebnis wird damit die Steuerbelastung für gewerbliche Einkünfte in etwa der Belastung der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit wirtschaftlich gleichgestellt.

 

Rn. 8

Stand: EL 157 – ET: 04/2022

 

Vereinfachtes Beispiel für geglückte vollständige Entlastung bei Hebesatz max 420 %:

 
Gewerbeertrag vor Steuern EUR 100 000
Gewerbeertrag vor Steuern nach Freibetrag (§ 11 Abs 1 S 3 Nr 1 GewStG) EUR 75 500
GewSt (GewSt-Messbetrag: 2 642,50; GewSt-Hebesatz 420 %) EUR 11 098
     
Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 4 Abs 5b EStG) EUR 100 000
ESt (vereinfachend maximale Grenzsteuerbelastung) EUR 45 000
Anrechnung GewSt gemäß § 35 EStG (2 642,5 × 4) EUR 10 570
ESt EUR 34 430
SolZ (5,5 % auf ESt von 34 430) EUR 1 894
     
Gesamtsteuerbelastung (ESt, GewSt, SolZ) EUR 47 422
In Prozent (bezogen auf EUR 100 000) EUR 47,42

Zum Vergleich Gesamtsteuerbelastung ohne GewSt

 
Einkünfte EUR 100 000
ESt (vereinfachend maximale Grenzsteuerbelastung) EUR 45 000
SolZ (5,5 % auf ESt von 45 000) EUR 2 475
Gesamtsteuerbelastung (ESt, SolZ) EUR 47 475

Im Beispiel bewirkt die Anrechnung der G...

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