Rn. 21

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Eine Entschädigung iSv § 24 Nr 1 EStG liegt nicht vor, wenn die Zahlung das Erfüllungsinteresse des StPfl befriedigt. Dabei ist es unerheblich, ob die Einnahme zur Erfüllung des primären vertraglichen Leistungsanspruchs oder eines an dessen Stelle getretenen sekundären Schadensersatzanspruchs gezahlt worden ist. Die Zahlung darf auch nicht nachträglich zur Erfüllung vertraglicher Ansprüche erfolgt sein (BFH vom 16.03.1993, XI R 52/88, BStBl II 1993, 507 betreffend Lohnnachzahlungen für mehrere Jahre). Der BFH folgert in ständiger Rspr vielmehr aus dem Tatbestandsmerkmal "Ersatz" für entgangene oder entgehende Einnahmen, dass die Entschädigung auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen muss (s etwa BFH vom 13.03.2018, IX R 16/17, BStBl II 2018, 709; BFH vom 06.12.2021, IX R 10/21, BFH/NV 2022, 717).

Als neue Rechtsgrundlagen kommen gesetzliche und vertragliche Ansprüche in Betracht, wobei zu Letzteren etwa auch Prozessvergleiche gehören. Arbeitsvertragliche Rechtsansprüche können sich auch aus Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen – insbesondere Sozialplänen (s § 112 BetrVG) – und sog betrieblicher Übung ergeben. Auf einer Billigkeitsgrundlage beruht eine Entschädigung dann, wenn sie nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder in Erfüllung einer Fürsorgepflicht des ArbG geleistet wird.

 

Rn. 22

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Die Rechtsgrundlage muss neu sein. Daran fehlt es nach bisheriger ständiger Rspr des BFH, wenn einzelne Rechte oder Ansprüche eines im Übrigen fortgeltenden Rechtsverhältnisses abgegolten oder abgelöst werden. Eine Entschädigung iSv § 24 Nr 1 Buchst a EStG setzt danach vielmehr voraus, dass das zu Grunde liegende Rechtsverhältnis beendet worden ist (s etwa BFH vom 10.10.2001, XI R 50/99, BStBl II 2002, 347; BFH vom 18.05.2005, XI B 45/04, BFH/NV 2005, 1812; BFH vom 16.09.2015, III R 22/14, BFH/NV 2016, 26). Ob und wann dies der Fall ist, bestimmt sich nach den vertraglichen oder gesetzlichen Grundlagen. Daraus ergibt sich, ob und zu welchem Zeitpunkt ein Vertragsverhältnis – etwa durch Kündigung – wirksam beendet worden ist.

Aus dem Umstand, dass einer Entschädigungszahlung ein neuer Vertrag zu Grunde liegt, folgt aber noch nicht zwingend ihre Einordnung als Entschädigung iSv § 24 Nr 1 Buchst a EStG. Es darf sich der Sache nach nicht um Erfüllungsansprüche aus dem früheren Vertragsverhältnis handelt. Solche können etwa in Anschlussverträgen, Vertragsmodifikationen oder Vergleichen geregelt werden.

Ob im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung noch Erfüllungsansprüche bestehen, ist ausschließlich nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Daher sind zB Zahlungen für bereits erdiente erfolgsabhängige Vergütungen grds Erfüllung des ursprünglichen Anstellungsvertrages und keine Entschädigung für entgehende Einnahmen (BFH vom 24.10.2007, XI R 33/06, BFH/NV 2008, 361).

 

Rn. 23

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Im Bereich des Arbeitsrechts wird Gestaltungsspielraum dadurch eröffnet, dass der BFH für die Abgrenzung zwischen vertraglichen Erfüllungsleistungen und Entschädigungen auf den im Aufhebungsvertrag vereinbarten Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellt (BFH vom 15.10.2003, XI R 17/02, BStBl II 2004, 264).

Bis zum Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) kann deshalb der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses frei gewählt und damit im Ergebnis der Umfang der Tarifermäßigung nach § 34 EStG bestimmt werden. Dies entspricht der Privatautonomie der Beteiligten und ist deshalb auch steuerlich anzuerkennen.

 

Beispiel:

Dem ArbN steht laut Arbeitsvertrag ein monatlicher Bruttoarbeitslohn von EUR 10 000 zu. Das Arbeitsverhältnis besteht seit 10 Jahren. Es ist zerrüttet. Der ArbN hat eine tarifvertraglich festgelegte Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Halbjahresende. ArbG und ArbN schließen im Mai einen Aufhebungsvertrag, wonach der Arbeitsvertrag mit Ablauf des Monats Juni beendet wird. Der ArbN wird bis zur Vertragsbeendigung freigestellt und erhält seine laufenden Lohnzahlungen bis Ende Juni sowie eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes iHv EUR 100 000.

Lösung:

Die Lohnzahlung ist bis Ende Juni tariflich normal zu besteuern. Die Abfindungszahlung iHv EUR 100 000 ist als Entschädigung iSv § 24 Nr 1 Buchst a EStG einzuordnen, die gemäß § 34 Abs 1 Abs 2 Nr 2 EStG ermäßigt zu besteuern ist. Daran ändert der Umstand nichts, dass eine ordentliche Kündigung erst zum Ablauf des Dezembers möglich gewesen wäre und dies bei der Höhe der Abfindung Berücksichtigung gefunden hat.

Aufgrund der Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses liegt ein nachvollziehbarer, auch wirtschaftlicher Grund für eine schnellstmögliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Ein Gestaltungsmissbrauch iSv § 42 AO erfolgt nicht. Der vertragsautonom festgelegte Beendigungszeitpunkt des Arbeitsvertrags ist steuerlich zu akzeptieren.

Diese Grundsätze sind auf andere Dauerschuldverhältnisse zu übertragen. Vertragliche Erfüllungsansprüche können ab dem Zeitpunkt nicht mehr ents...

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