Rn. 247

Stand: EL 156 – ET: 02/2022

Eigenverantwortlich ist der Freiberufler tätig, wenn seine persönliche Teilnahme an der praktischen Arbeit so geartet ist, dass er für die Leistungen seiner Mitarbeiter im vollen Umfang die fachliche Verantwortung übernehmen kann. Nach Rspr muss die Ausführung jedes einzelnen Auftrages in fachlicher Hinsicht dem Berufsträger und nicht seinen qualifizierten Mitarbeitern, den Hilfskräften, den technischen Hilfsmitteln oder dem Unternehmen als Ganzem zuzurechnen sein (BFH BStBl II 1976, 155; 1995, 732; 2019, 580; aber s Rn 241a). Seine fehlende Mitarbeit am einzelnen Auftrag muss auf Ausnahmen, Vertretungsfälle und Routinearbeiten beschränkt bleiben; hierbei richtet sich das Maß der zulässigen Ausnahmen nach der Art der Tätigkeit (st Rspr, BFH BStBl II 1988, 17 mwN; BFH BStBl II 1989, 727). Überträgt der Unternehmer Aufgaben nicht lediglich einfacher oder mechanischer Art auf qualifizierte Mitarbeiter, muss deren Tätigkeit auch als solche des Unternehmers erkennbar sein (BFH BStBl II 1988, 17; BFH/NV 1995, 530; 2018, 945). Die Tätigkeit muss den "Stempel der Persönlichkeit" des Praxisinhabers tragen, das einzelne Arbeitsergebnis muss durch seine konkrete Teilnahme an der Ausführung des einzelnen Auftrags geprägt sein (BFH BStBl III 1965, 557; BStBl II 1986, 398; 1989, 727; 1990, 507; 1995, 732; 1995, 776; 2002, 478; 2004, 509; BFH/NV 2007, 1319).

Eigenverantwortliche Tätigkeit entfaltet der StPfl also nicht schon dadurch, dass er die rechtliche Haftung gegenüber dem Auftraggeber für die ordnungsgemäße Durchführung der Arbeiten seiner Hilfskräfte trägt. Entsprechend Sinn und Zweck der Vorschrift, die persönliche Arbeitsleistung steuerlich zu begünstigen, können die Begriffe "Arbeit", "Leitung" und "Eigenverantwortung" auch nicht lediglich im Sinne einer bloßen "geistigen Urheberschaft" verstanden werden (BFH BStBl II 1988, 17; 1990, 507).

Auch stichprobenweise Überprüfungen genügen schon deswegen nicht, weil diese zur "leitenden" Tätigkeit gehören (s Rn 246 aE).

 

Rn. 247a

Stand: EL 156 – ET: 02/2022

Leitend und eigenverantwortlich ist der Freiberufler tätig, wenn er über die Festlegung der Grundzüge der Organisation und die dienstliche Überwachung hinaus die Planung und Überwachung der Auftragsbearbeitung übernimmt und die Kompetenz zur Entscheidung in Zweifelsfällen hat (BFH BStBl II 2011, 506). An die leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit können aber je nach Art des freien Berufs unterschiedliche Inhalte geknüpft, dh unterschiedlich hohe Anforderungen gestellt werden (BFH BStBl III 1965, 557; BStBl II 1988, 17; 1989, 727; BFH/NV 2006, 55; Mertzbach, Stbg 2019, 295). Gelegentlich (zB bei Heilberufen) genügt auch nur die Einflussnahme auf die Tätigkeit des Fachpersonals durch regelmäßige und eingehende Kontrollen (BFH BStBl II 2004, 509; 2016, 381). Führt ein Arzt die Voruntersuchungen durch, legt er für den Einzelfall die Behandlungsmethode fest und behält sich die Behandlung "problematischer Fälle" vor (BFH BStBl II 2015, 216, zu FG S-Anh EFG 2013, 129, bestätigt), umso besser.

 

Rn. 248

Stand: EL 156 – ET: 02/2022

Die Grenze zum Gewerbebetrieb ist nach der BFH-Rspr auf jeden Fall dort überschritten, wo der StPfl sich nur noch um besonders wichtige oder besonders schwierige Aufträge selbst kümmert, die einfachen und weniger bedeutsamen aber ganz seinen Mitarbeitern überlässt. Dem StPfl müssten vielmehr in jedem Einzelfall die für seine Entscheidung erforderlichen Tatsachen bekannt sein; zudem ist die eigenverantwortliche Einflussnahme des StPfl auf das einzelne, von ihm in Auftrag genommene Werk oder die einzelne Dienstleistung zu fordern (BFH BStBl II 1976, 155).

Den Charakter der Eigenverantwortlichkeit verliere eine Tätigkeit im selben Maße, wie der unternehmerische und organisatorische Teil der Tätigkeit zunehme und nicht mehr die eigene Leistung des Freiberuflers, sondern die Bereitstellung von anderen Kräften in den Vordergrund trete, die dem Berufsträger die eigentliche Tätigkeit abnehmen. Hier verselbstständige sich das Unternehmen in zunehmendem Maße entsprechend der Übertragung der Tätigkeit auf andere Personen, sodass seine Leistungen nicht mehr als Leistungen des Freiberuflers, sondern als solche des Unternehmens in Erscheinung treten. ME ist allerdings unübersehbar, dass auch dieser Grundsatz nach den Ausführungen in BFH BStBl II 2009, 143; 2011, 506; 2015, 216; 2016, 381 (s Rn 241a, 247a) nicht mehr unumstößlich ist.

 

Rn. 248a

Stand: EL 156 – ET: 02/2022

Die Zahl der Aufträge oder Untersuchungen sowie der qualifizierten Mitarbeiter haben nur eine Indizwirkung dafür, dass eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit nicht mehr in ausreichendem Maße entfaltet werden kann (BFH BStBl II 1990, 507; BFH BFH/NV 1996, 463; 2011, 895; Kempermann, FR 1996, 514, 515). Eine allg gültige Grenze für die Zahl der Aufträge und Mitarbeiter gibt es nicht. Sie richtet sich nach den jeweiligen Verhältnissen des Einzelfalles (BFH BStBl II 2002, 581; BFH/NV 1996, 463). Da sich der Umfang ...

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