Rn. 40

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Systematisch ist § 42 AO vorrangig zu § 17 EStG anzuwenden; dieser Vorrang ist jedoch inhaltlich an der Vorschrift des § 17 EStG und ihrer Entwicklung zu messen (BFH vom 18.07.2001, I R 48/97, BFHE 196, 128). Folglich ist § 42 AO stets im Lichte des § 17 EStG zu prüfen; dies gilt insbesondere für spezielle Missbrauchsverhinderungsnormen wie § 17 Abs 2 S 6 EStG. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehung dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Insoweit sind potenzielle Missbrauchsfälle abschließend geregelt (zuletzt FG Ha vom 25.11.2015, 2 K 258/14, EFG 2016, 483).

 

Rn. 41

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

 

Beispiele aus der Rspr:

  • Eine gezielte Verlustnutzung durch eine Veräußerung von §-17-EStG-Anteilen an eine beteiligungsidentische KapGes, deren Tätigkeit sich ausschließlich auf das Halten der veräußerten Anteile beschränkt, ist kein Gestaltungsmissbrauch (BFH vom 29.05.2008, IX R 77/07, BStBl II 2008, 789).
  • Ebenso ist gezielte Verlustnutzung durch eine "Anteilsrotation" (ringweise Anteilsveräußerungen und -erwerbe), bei der die Gesellschafter in Anbetracht des Wertverlustes ihre gleich hohen Anteile untereinander veräußern, sodass sich nach den Veräußerungen an den bisherigen Beteiligungsverhältnissen nichts geändert hat, nicht rechtsmissbräuchlich (BFH vom 07.12.2010, IX R 40/09, BStBl II 2011, 427; zu § 20 Abs 2 EStG BFH vom 29.09.2020, VIII R 9/17, BStBl II 2021, 385). Ein außersteuerlicher Grund muss hierfür nicht vorliegen. Die rein steuerliche Motivation ist kein Gestaltungsmissbrauch iSd § 42 AO. Wichtig hierbei ist jedoch, dass der Kaufpreis fremdüblich ist und demnach nicht etwa auf eine Bewertung der Gesellschaft verzichtet werden darf, da die Anteilsrotation ringweise und im Ergebnis damit ohne Wertverschiebung stattfindet. Ist der vereinbarte Kaufpreis "krass verfehlt", liegt ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten iSd 42 AO vor und ein Veräußerungsverlust wird nach der Rspr nicht erzielt (BFH vom 20.09.2022, IX R 18/21, BStBl II 2023, 315). Es liegt jedoch näher, in solchen Konstellationen eine Aufteilung der Anteilsübertragung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil vorzunehmen. In Höhe des entgeltlichen Teils sollte dann eine Realisierung des Verlustes eingetreten sein (glA Binnewies, GmbHR 2023, 252 (253)).
  • Derzeit umstritten ist hingegen, in welchen Fällen eine Verlustnutzungsmöglichkeit nach einer schenkweisen Übertragung von Anteilen an KapGes möglich ist. Hierbei werden § 17-EStG-Anteile an KapGes, deren Wert unter die AK gefallen ist, auf eine natürliche Person unentgeltlich übertragen. Folglich werden auch die historischen AK des Schenkers durch den Beschenkten übernommen. Der Beschenkte veräußert diese Anteile dann mit Verlust an eine GmbH, deren Alleingesellschafter er sein kann. Der "wahre" Wert solcher Schenkungen liegt in der latenten "Steuersparmöglichkeit", die schenkungsteuerlich nicht erfasst wird (Schindler, EFG 2016, 485). Das FG Ha hat eine solche Gestaltung akzeptiert, da es nicht auf eine Einkünfteerzielungsabsicht des Beschenkten ankomme. Es sei ausreichend, dass der Rechtsvorgänger den Anteil mit Einkünfteerzielungsabsicht erworben und gehalten habe (FG Ha vom 25.11.2015, 2 K 258/14, DStRE 2017, 276 und nachfolgend BFH vom 09.05.2017, IX R 1/16, BFH/NV 2018, 79; FG Mchn 15.12.2009, 2 K 2608/06, EFG 2016, 483); s Rn 281.
  • Die Schenkung und anschließende Veräußerung von §-17-EStG-Anteilen mit Gewinn stellt auch bei einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Schenkung und Veräußerung keinen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten dar. Nur wenn der Verkauf vor Schenkung bereits verhandelt und beschlossen war, ist der Veräußerungsgewinn dem Schenker zuzurechnen (BFH vom 17.04.2018, IX R 19/17, BFH/NV 2018, 1081). In dem hier zugrundeliegenden Sachverhalt eines "Familiensplittings" handelte es sich um nicht börsennotierte Anteile, und zwischen dem Zeitpunkt der Schenkung und dem Zeitpunkt der Veräußerung durch die Beschenkten minderjährigen Kinder lagen nur wenige Tage. Der BFH stellte zu Recht eindeutig fest, dass für das "Zwischenschalten" der Kinder keine wirtschaftlichen Gründe notwendig sind. Entscheidend ist letztlich allein, dass die zwei Ereignisse "Schenkung" und "Verkauf" (nachweislich) keinen inneren Zusammenhang hatten.
 

Rn. 42–43

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

vorläufig frei

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