Rn. 1610

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Im Fall der unechten Realteilung ist bei einer Verletzung der Behaltefrist bei dem ausgeschiedenen Mitunternehmer zur Ermittlung des Gewinns iSv § 16 Abs 2 EStG rückwirkend der gemeine Wert des veräußerten bzw entnommenen WG anzusetzen. Zudem entsteht auf Ebene der Mitunternehmerschaft ein laufender Gewinn mit der Folge, dass insoweit die Buchwerte der WG der verbleibenden Mitunternehmerschaft aufzustocken sind (BMF v 19.12.2018, BStBl I 2019, 6 Tz 31; zustimmend Gragert, NWB 2019, 476). Dies führt, worauf Dorn/Müller hinweisen, zu einer Ungleichbehandlung von echter und unechter Realteilung, die im Gesetz keine Stütze findet (Dorn/Müller, DStR 2019, 726; vgl auch Schallmoser in Blümich, § 16 EStG Rz 413 (Juli 2019)). Schon die grundlegende Unterscheidung zwischen beiden Formen der Realteilung ist im Gesetz nicht angelegt, sondern entspricht richterlicher Rechtsfortbildung (s Rn 1306). Die Unterscheide sind im Ergebnis allerdings nicht so groß, denn die Praxis nutzt überwiegend das bei der echten Realteilung eingeräumte Wahlrecht und ordnet den Gewinn aus der späteren Veräußerung bzw Entnahme regelmäßig dem diese verursachenden ehemaligen Mitunternehmer zu.

 

Rn. 1611

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

 

Beispiel: Gewinnzurechnung bei unechter Realteilung

In Anlehnung an das Beispiel s Rn 1606: Die Schlussbilanz sieht wie folgt aus (gemeine Werte = Teilwerte in Klammern):

 
Aktiva Schlussbilanz Passiva
Teilbetrieb 1 (600) 300 Kapitalkonto W   315
Teilbetrieb 2 (600) 300 Kapitalkonto X   315
Grundstück (600) 400 Kapitalkonto Y   315
Diverse Maschinen (200) 50 Kapitalkonto Z   105
    1 050     1 050

Y scheidet gegen Mitnahme des Grundstücks und der Maschinen in ein eigenes BV aus, W, X und Z setzen die Mitunternehmerschaft fort. Innerhalb der Sperrfrist veräußert Y das Grundstück zum Preis von 650. Die Maschinen verbleiben BV. Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Gewinnzurechnung erfolgt nicht.

Lösung:

Die Veräußerung bzw Entnahme innerhalb der Sperrfrist ist (rückwirkend) so zu behandeln, als habe Y das Grundstück von vornherein ins PV entnommen. Der Sachverhalt entspricht – nur insoweit – dem Ausscheiden gegen Sachwertabfindung (dazu s Rn 1456), bei der Y einen Veräußerungsgewinn erzielt, da er seinen Mitunternehmeranteil gegen ein ins PV entnommene WG der Mitunternehmerschaft veräußert. Wirtschaftlich betrachtet tauscht er seine Beteiligung an den in der Mitunternehmerschaft verbleibenden WG gegen die Anteile der verbleibenden Mitunternehmer an dem Grundstück. Hätte Y nur das Grundstück erhalten und dieses innerhalb der Behaltefrist veräußert, läge – rückwirkend betrachtet – kein Fall der Realteilung mehr vor (s Rn 1451).

Der von Y erzielte Veräußerungsgewinn berechnet sich wie folgt:

 
Gemeiner Wert der veräußerten WG
+ Buchwert der ins BV übernommenen und nicht veräußerten/entnommenen WG
./. Kapitalkonto Y
= Veräußerungsgewinn

Das Kapitalkonto des Y ist dabei richtigerweise mit dem Wert anzusetzen, der sich nach Anwendung der Kapitalkontenanpassungsmethode ergibt (glA Gossert/Liepert/Sahm, DStZ 2019, 201; Wendt, FR 2016, 536), die FinVerw äußert sich hierzu in dem BMF-Schreiben zur Realteilung nicht. Das Kapitalkonto des Y beträgt aufgrund der Buchwerte der übernommenen WG 450.

Konkret bedeutet dies für Y:

 
Gemeiner Wert Grundstück (Zeitpunkt Realteilung maßgeblich) 600
+ Buchwert Maschinen 50
./. Kapitalkonto Y 450
= Veräußerungsgewinn 200

Zugleich entsteht in der Mitunternehmerschaft ein laufender Gewinn, da die verbleibenden Mitunternehmer Y dessen bisherige anteilige WG im Tausch gegen Grundstück und Maschinen abkaufen. Nach Auffassung der FinVerw sind "die Buchwerte der WG der verbleibenden Mitunternehmerschaft" aufzustocken (BMF v 19.12.2018, BStBl I 2019, 6 Tz 10 und 31). Ob dies bedeuten soll, dass nur die nicht mitgenommenen WG aufzustocken sind, erscheint fraglich, denn auch bei einer reinen, nicht als Realteilung zu beurteilenden (s Rn 1456) Abfindung ins PV wird davon ausgegangen, dass auch der Buchwert des ins PV übernommenen WG aufgestockt wird. Daher wird in der Literatur zu Recht eine Aufstockung der Buchwerte sowohl der in der Mitunternehmerschaft verbleibenden WG als auch der veräußerten oder entnommenen WG befürwortet bzw praktiziert (Gossert/Liepert/Sahm, DStZ 2019, 201; Dorn/Müller, DStR 2019, 726; ebenso Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz 521 (39. Aufl)). Hierzu wäre eine Klarstellung im BMF-Schreiben wünschenswert.

Zur Ermittlung des laufenden Gewinns der Mitunternehmerschaft ist zunächst die Abfindungsverbindlichkeit gegenüber Y zu passivieren, die mit der Aufstockung der Buchwerte an allen WG einhergeht, mit Ausnahme der WG, die Y in sein BV überführt und dort nicht veräußert/entnommen hat (Maschinen). Diese Abfindungsverpflichtung wird anschließend dadurch erfüllt und getilgt, dass die WG an Y übertragen werden. Zunächst sieht die Bilanz nach Anpassung der Kapitalkonten wie folgt aus. Y übernimmt WG im Buchwert von insgesamt 450, die Kapitalkonten von W, X, Y wer...

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