Rn. 1

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Zweck und Regelungsgehalt des § 16 EStG haben sich über die Jahre hinweg stets gewandelt. Noch in der Form der §§ 30–32 EStG 1925 regelte die Norm konstitutiv die Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung von BV. Nach der Entscheidung des RFH v 29.10.1924, RFHE 15, 47, nach der sich diese Besteuerung bereits als Folge der allgemeinen Besteuerung betrieblicher Gewinne ergebe, die die Besteuerung der Veräußerung umfasse (bestätigend RFH vom 26.11.1932, RStBl 1932, 624; übernommen durch BFH, zB BFH vom 28.07.1961, VI 25/61 U, BStBl III 1961, 436; BFH vom 16.09.1966, VI 118–119/65, BStBl III 1967, 70), beschränken sich die Zwecke des § 16 EStG

(1) auf die Abgrenzung der Veräußerungsgewinne, die sich infolge nicht versteuerter stiller Reserven während der lfd Besteuerung (Realisationsprinzip) ergeben, von den lfd betrieblichen Gewinnen und
(2) die – insoweit konstitutive – Milderung der progressiven Steuerbelastung der Veräußerungsgewinne, die durch die kumulierte Aufdeckung der stillen Reserven im Veräußerungs-/Aufgabejahr entsteht, durch einen Freibetrag bzw die frühere Freigrenze des § 16 Abs 4 EStG und die Tarifbegünstigungen des § 34 Abs 1 und 3 EStG (Tarifermäßigung in Form der sog "Fünftel-Regelung" bzw "halber Steuersatz"; vgl FG Nds vom 25.10.2011, 15 K 10 217/09, BB 2012, 1057). Die Betriebsaufgabe (§ 16 Abs 3 S 5–8 EStG) wurde dabei stets wie die Betriebsveräußerung behandelt; der Zweck Belastungsminderung hatte aber eine teleologische Reduktion des Begriffs "Betriebsaufgabe" (nur bei Realisation in einem engen zeitlichen Rahmen) zur Folge.

Dadurch wird zugleich deutlich, dass der Gesetzgeber in der Betriebsveräußerung einen in sich geschlossenen, vom laufenden Gewinn zu trennenden einheitlichen Vorgang gesehen hat, den er besonderer steuerlicher Regelung unterwerfen wollte (BFH vom 19.07.1993, GrS 2/92, BStBl II 1993, 897), weil damit das bisherige unternehmerische Engagement beendet und das vorhandene BV veräußert wird (BFH vom 17.09.2014, IV R 33/11, BStBl II 2015, 717).

 

Rn. 2

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Dabei ergab sich ursprünglich folgender Aufbau der Norm, der auch heute noch Gültigkeit hat:

  • § 16 Abs 1 EStG: Beschreibung, was als Veräußerung von BV iSd § 16 EStG gilt;
  • § 16 Abs 2 EStG: Vorgaben, wie der Gewinn aus der Veräußerung von BV (in Abgrenzung vom lfd Gewinn) zu ermitteln ist;
  • § 16 Abs 3 EStG: Gleichstellung der Aufgabe von BV mit der Veräußerung von BV und Vorgaben zur Ermittlung des Aufgabegewinns;
  • § 16 Abs 4 EStG: Freistellung eines bestimmten Teils des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns von der Besteuerung (Freibetrag).
  • Die ursprünglich in § 16 Abs 5 EStG aF geregelte Anrechnung der ErbSt auf die ESt wurde in § 35b EStG übernommen. Wegen § 16 Abs 5 EStG nF nachfolgend s Rn 3.
 

Rn. 3

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In der jüngeren Vergangenheit wurde der Anwendungsbereich des § 16 EStG stetig erweitert bzw um Missbrauchsvermeidungsvorschriften ergänzt (auch s Rn 8–11):

  • Gleichstellung der Veräußerung eines Teiles eines Mitunternehmeranteils und eines Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters an einer KGaA mit der Veräußerung nur eines Teils des BV (§ 16 Abs 1 S 2 EStG) und damit verbunden Ausschluss der steuerlichen Vergünstigungen für solche Veräußerungsgewinne (die teilweise Veräußerung von BV ist dabei abzugrenzen von der Veräußerung eines Teilbetriebs, die wie die Veräußerung eines gesamten Betriebs zu behandeln ist);
  • Ausschluss der steuerlichen Vergünstigungen für Gewinne aus der Veräußerung von BV "an sich selbst" (§ 16 Abs 2 S 2 EStG);
  • gesetzliche Regelung der Realteilungsgrundsätze als Ausnahme von den Betriebsaufgabegrundsätzen in § 16 Abs 3 S 2ff EStG (als Ersetzung der bis dahin aus einer entsprechenden Anwendung des § 24 UmwStG resultierenden BFH-Rspr);
  • Gleichstellung des Verlustes des Besteuerungsrechts Deutschlands an einem BV ("Entstrickung"), zB durch Überführung der WG des BV in das Ausland, mit der Betriebsaufgabe (s § 16 Abs 3a EStG), nachdem der BFH festgestellt hatte, dass sich aus dem EStG, insb aus den Gewinnermittlungsvorschriften, kein allgemeiner Entstrickungsgrundsatz ableiten lasse und eine Besteuerung daher einer gesetzlichen Grundlage bedurfte (s BFH vom 28.10.2009, I R 99/08, BStBl II 2011, 1019);
  • Normierung des Zeitpunkts, bis zu der eine Betriebsunterbrechung oder Betriebsverpachtung nicht als Betriebsaufgabe angesehen wird (s § 16 Abs 3b EStG);
  • Übertragung des Rechtsgedankens des § 22 UmwStG (steuerschädliche Veräußerung von KapGes-Anteilen innerhalb einer 7-jährigen Sperrfrist nach Einbringung von BV bzw Anteilstausch) auf die Realteilungsgrundsätze, wonach die Buchwertfortführung des § 16 Abs 3 S 2 EStG rückwirkend entfällt, wenn im Rahmen einer Realteilung Anteile an Körperschaften einseitig einer Körperschaft zugewiesen werden und Letztere die Anteile innerhalb der 7-jährigen Sperrfrist steuerfrei (§ 8b KStG) veräußert (s § 16 Abs 5 EStG).
 

Rn. 4

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