Rn. 141b

Stand: EL 172 – ET: 04/2024

Zur Vermeidung einer Zwangsbetriebsaufgabe – heutzutage auch wichtig als Auffangtatbestand bei ungewollter Beendigung einer Betriebsaufspaltung, s Rn 305 zu (1) und (3) und s Rn 421 – wurde durch den BFH (grundlegend s GrS BFH vom 13.11.1963, BStBl III 1964, 124) das Rechtskonstrukt der Betriebsverpachtung im Ganzen als ein Fall der "Betriebsunterbrechung" iwS (s H 16 Abs 2 EStH 2022 "Betriebsunterbrechung" sowie s Rn 143) entwickelt. Der Funktion als Auffangtatbestand steht nicht entgegen, wenn eine zuvor bestehende Betriebsaufspaltung eine sog unechte Betriebsaufspaltung (s Rn 302 zu (2)) war: BFH vom 17.04.2019, BFH/NV 2019, 1179 (entscheidet sich das ehemalige fiktiv gewerbliche Besitzunternehmen zur weiteren Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen in Form der Betriebsverpachtung, so führt es die bisherige gewerbliche Tätigkeit im Ergebnis fort, was für die Annahme einer Betriebsverpachtung genügt).

Für die Anerkennung einer Betriebsverpachtung im Ganzen reicht es aus, wenn die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden WG verpachtet werden (im Einzelnen auch s Rn 147). Dabei kommt es für die Frage der Wesentlichkeit auf die Verhältnisse des verpachtenden, nicht auf diejenigen des pachtenden Unternehmens an. Eine Betriebsverpachtung setzt danach ua voraus, dass der Verpächter dem Pächter einen Betrieb zur Nutzung überlässt, den der Pächter im Wesentlichen fortsetzen kann. Dem Verpächter muss objektiv die Möglichkeit verbleiben, den verpachteten Betrieb als solchen selbst wieder aufzunehmen und fortzuführen. Das Wahlrecht zur Betriebsfortführung entfällt, und es kommt zu einer Zwangsbetriebsaufgabe, wenn anlässlich oder während der Verpachtung die wesentlichen Betriebsgrundlagen so umgestaltet werden, dass sie nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden können, weil der Verpächter damit die unternehmerische Tätigkeit endgültig einstellt (BFH vom 18.12.2014, BFH/NV 2015, 827 Rz 28; BFH vom 30.08.2007, BStBl II 2008, 113 mwN und s nachfolgend zu "dem FA Tatsachen bekannt werden").

Subjektive Merkmale wie Alter, Krankheit ua persönliche Umstände sind für die erforderliche Fortführungsmöglichkeit ebenfalls irrelevant und lassen die objektive Möglichkeit einer Fortführungsabsicht – evtl auch durch einen Gesamtrechtsnachfolger iSd § 45 AO oder einen Einzelrechtsnachfolger iSd § 6 Abs 3 EStG – nicht entfallen; s Schoor, FR 1994, FR 1994, 449, 452).

Der fortbestehende Gewerbebetrieb bei Betriebsverpachtung ist gesetzlich geregelt in § 16 Abs 3b EStG idF lt StVereinfG 2011. Eine Betriebsaufgabe erfolgt nur, wenn

  • der Verpächter – konstitutiv! – sie ausdrücklich (s Rn 144) erklärt oder
  • dem FA Tatsachen bekannt werden, aus denen sich ergibt, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Aufgabe iSd § 16 Abs 3 S 1EStG erfüllt sind (der BFH hat zugunsten der StPfl entschieden, dass Verpachtung an branchenfremde Pächter keine solche Tatsache ist, s Rn 147).

Die gesetzliche Regelung in § 16 Abs 3b EStG idF StVereinfG 2011 stellt die Besteuerung stiller Reserven bei ruhenden oder verpachteten Betrieben auch für den Fall sicher, dass zwischenzeitlich eine Betriebsaufgabe erfolgt ist, diese jedoch nicht gegenüber dem FA erklärt wurde, weil bis dahin keine Festsetzungsverjährung eintreten kann (dazu s nach alter Rechtslage BFH BFH/NV 2009, 1620).

Der StPfl kann die Betriebsaufgabe jederzeit ab Beginn der Verpachtung oder während deren Verlauf erklären. Gibt der Verpächter keine eindeutige Aufgabeerklärung ab, wird die Betriebsfortführungsabsicht unwiderleglich unterstellt, solange nur für den Verpächter oder dessen unentgeltlichen Rechtsnachfolger (s BFH vom 26.07.2006, BFH/NV 2006, 2072 und s Rn 146) die objektive Möglichkeit besteht, den Betrieb wieder aufzunehmen und dem FA keine der Wiederaufnahme entgegenstehenden Tatsachen bekannt werden.

Auch WG im Sonder-BV, die eine oder die wesentliche Betriebsgrundlage sind, verlieren diese Eigenschaft nicht durch Verpachtung des Betriebs einer PersGes: BFH vom 06.11.2008, BStBl II 2009, 303. Bei Austausch des Gesellschafters mit wesentlichen Betriebsgrundlagen im Sonder-BV s Rn 145a.

Die Betriebsverpachtung führt somit zur Entstehung zweier Gewerbebetriebe, eines unterbrochenen Betriebs des Verpächters und eines aktiven Betriebs des Pächters: BFH BStBl II 1996, 440.

Wegen der Voraussetzungen für die Annahme auch einer bloßen Teilbetriebsverpachtung als Betriebsverpachtung im Ganzen s Rn 145.

 

Rn. 142

Stand: EL 172 – ET: 04/2024

Die Möglichkeit, mit Hilfe fortgeführten Verpächter-BV die sonst bei Betriebsaufgabe notwendige Realisierung von stillen Reserven zu vermeiden, kann bewusst als Gestaltungsmöglichkeit eingesetzt werden, zB in folgenden Fällen:

(1) Das bisherige Einzelunternehmen soll aus Altersgründen eingestellt werden, jedoch ohne Versteuerung der im Grundbesitz enthaltenen stillen Reserven (bei Immobilienvermögen ist zusätzlich bei der Wahl des Aufgabezeitpunkts die 10-Jahres-Frist nach Aufgabeerklärung gemäß § 23 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG...

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