Rn. 123b

Stand: EL 169 – ET: 12/2023

Im Einzelnen:

  • Wie definiert sich die Totalperiode, über die der Gewinn anzustreben ist?
  • Wie ermittelt sich der relevante "Gewinn"? Was ist einzubeziehen (zB steuerfreie Zuwächse; inflationsbedingte stille Reserven)?
  • Wann liegen noch unschädliche Anlaufverluste vor?
  • Änderung der Verhältnisse: Wirkt sich wie auf die Beurteilung aus bei zunächst nicht vorliegender und erst später entstehender Gewinnerzielungsabsicht bzw zunächst vorliegender und später verlorener Gewinnerzielungsabsicht? Sind beim Übergang vom Gewerbebetrieb zur Liebhaberei stille Reserven infolge Betriebsaufgabe aufzulösen (Stichwort ruhender Gewerbebetrieb)?
 

Rn. 124

Stand: EL 169 – ET: 12/2023

Definition der Totalperiode

Der Begriffsbestandteil "Gewinn" ist erstmals in § 15 Abs 2 S 2 EStG gemäß StEntlG 1984 enthalten. Anzustreben (Zukunftsprognose!) ist ein "Totalgewinn" einschließlich stiller Reserven (BFH vom 04.06.2009, BFH/NV 2009, 1644) im Sinne eines Netto-Nutzens (GrS BFH BStBl II 1984, 751; auch s Rn 123 eingangs). Der GrS des BFH knüpft mit diesem Abstellen auf das Ergebnis des Unternehmens in der Zeit von seiner Gründung bis zur Veräußerung/Aufgabe/Liquidation (unter Einschluss eines steuerbaren – ggf auch steuerfreien, z B nach § 16 Abs 4 EStG – Veräußerungs- und Aufgabegewinns: s BFH vom 09.03.2017, BStBl II 2017, 981 Rz 12; BFH vom 25.06.1996, BStBl II 1997, 202; BFH vom 18.06.1996, BFH/NV 1997, 408 zu 3. des Leitsatzes) an Vorstellungen der dynamischen Bilanztheorie an, der allerdings bewusst ist, dass es sich dabei, ausgehend von der regelmäßig unterstellten unbegrenzten Lebensdauer eines Betriebs, um eine Fiktion handelt, die praktischen Bedürfnissen nicht gerecht wird (ua s Seeger, Die Gewinnerzielungsabsicht – ein unmögliches Tatbestandsmerkmal, FS Schmidt, 1993, 42; Westerfelhaus, DStZ 2005, 585, 587).

Es ist bei der Frage nach der Totalgewinnerzielung danach zu unterscheiden, ob die Dauer des Betriebs unbestimmt oder auf einen bestimmten Zeitraum (dann ist dieser maßgebend: s BFH vom 05.03.2007, BFH/NV 2007, 1125 zu 2.a. der Begründung) festgelegt ist.

Bei einem auf unbestimmte Dauer angelegten Gewerbebetrieb handelt es sich beim "Totalgewinn" um eine rein theoretische Größe, die aber, anders als erforderlich, angesichts der einer Marktwirtschaft innewohnenden Konjunkturschwankungen und Strukturveränderungen mittel- bis langfristig ex ante nicht zuverlässig zu ermitteln ist; Westerfelhaus, DStZ 2005, 585 weist darauf hin, dass man sich sonst die immer wieder auftretenden Misserfolge größten Umfanges bei Großkonzernen und die Insolvenzen in der mittelständischen Wirtschaft nicht erklären könnte. Das Kriterium des "Totalgewinns" ist somit nicht praxisgerecht und verstößt gegen das Erfordernis der Bestimmtheit eines steuerrelevanten Sachverhalts.

Bei Immobilien erkennt der BFH (BFH BStBl II 1999, 826) an, dass eine langfristige Kalkulation zu viele spekulative Komponenten enthält, um aus ihr auf eine Gewinnerzielungsabsicht schließen zu können. Bei gewinnerzielenden Betrieben, die erst nach Jahren in die Verlustzone geraten, setzt sich der maßgebliche erzielbare Totalgewinn aus den in der Vergangenheit erzielten und den zukünftig zu erwartenden lfd Gewinnen/Verlusten und dem sich bei Betriebsbeendigung voraussichtlich ergebenden Veräußerungs- bzw Aufgabegewinn/-verlust zusammen: BFH BFH/NV 2011, 1137. Es sind im Verlustfall nicht ausschließlich nur die verbleibenden Jahre vor der Beendigung zu betrachten (glA Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz 30, 39. Aufl).

Der Kauf eines bislang gepachteten WG (Urteilsfall: Grundstück) durch einen Gewerbebetrieb, für den das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht ungewiss ist, führt nicht zur Beseitigung der Ungewissheit, weil darin idR lediglich eine Umstrukturierungsmaßnahme zu sehen ist: BFH vom 21.08.2013, BFH/NV 2014, 524.

Bei einem auf unbestimmte Zeit angelegten Betrieb kann nicht typisierend von einer Totalperiode von generell 30 Jahren ausgegangen werden: OFD Koblenz vom 05.12.2004, DStR 2005, 379 – koordiniert mit BMF und Ländern – mE zu Recht ausdrücklich abweichend von Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz 30, 39. Aufl. So auch BFH vom 23.10.2018, BStBl II 2019, 601 Rz 24, wonach es mit Bezug auf GrS BStBl II 1984, 751 unter C.IV.3.c.bb. (1) feste zeitliche Vorgaben dabei nicht gibt. Der Zeitraum, innerhalb dessen ein positives Ergebnis erzielbar sein muss, ist vielmehr stets einzelfallbezogen zu beurteilen (BFH BStBl II 2008, 465). Anders BFH vom 05.03.2007, BFH/NV 2007, 1125, aber zu einer gewerblichen Ferienhaus-Immobilie.

Bei einer durch Umwandlung von Gesellschafterdarlehen neu begründeten atypisch stillen Gesellschaft zwischen einer überschuldeten, defizitären GmbH und ihrem Alleingesellschafter ist (Total-)Gewinnerzielungsabsicht anzuerkennen, wenn die Geschäftsführung ausgewechselt und mit den Kreditgebern über Möglichkeiten der Sanierung verhandelt wird, sodass die Voraussetzungen für eine Verlängerung eines Händlervertrags geschaffen wurden: BFH vom ...

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