• 2019

Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrags/§ 32a EStG

 

Fraglich ist, ob die Höhe des Grundfreibetrags noch als verfassungsgemäß angesehen werden kann. Dies dürfte zu verneinen sein. Zumindest ab 2019 dürfte der Grundfreibetrag eindeutig verfassungswidrig sein. Ab diesem Zeitpunkt spiegelt der Grundfreibetrag nicht mehr die realen Preisentwicklungen insbesondere auf dem Wohnungsmarkt in sachgerechter Weise wieder. Von daher haben sich mittlerweile auch erhebliche Differenzen zwischen der Höhe der realen Sozialleistungen und der Höhe des Grundfreibetrags ergeben. Folge ist eine unsichtbare Steuererhöhung in allen Tarifzonen. Betroffen hiervon sind insbesondere Steuerzahler in Hochpreisregionen. Bei der Mehrzahl der Steuerzahler führt der zu geringe Grundfreibetrag damit zu einer teilweisen Besteuerung des Existenzminimums.

(so Dziadkowski, Zum Einkommensteuertarif 2019: Berücksichtigung des Grundfreibetrags, BB 2019, 1248)

Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrags/§ 32a EStG

 

Aus den Entscheidungen des BVerfG v. 25.9.1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91 ergibt sich, dass der ESt nur der Teil des Erwerbseinkommens unterliegen darf, der für den Stpfl. disponibel ist. Die unvermeidbaren Aufwendungen für die eigene Existenzsicherung und für den Unterhalt der Familienangehörigen müssen von der Besteuerung freigestellt werden. Dies ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip. Vor diesem Hintergrund dürfte auch ab dem 1.1.2020 der Grundfreibetrag als verfassungswidrig anzusehen sein. Die in den vergangenen Jahren erfolgten Anhebungen des Grundfreibetrags liegen deutlich unter den Erhöhungen der Hartz-IV-Regelsätze. Insbesondere werden bei der Bemessung des Grundfreibetrags die in den letzten Jahren gestiegenen Aufwendungen für den Wohnbedarf in Städten und Ballungszentren nicht angemessen berücksichtigt. Von daher dürfte davon auszugehen sein, dass die Verfassungswidrigkeit des derzeitigen Grundfreibetrags vom BVerfG bejaht wird.

(so Dziadkowski, 25 Jahre Thesen der Bareis-Kommission - Basis für eine verfassungsnahe Bestimmung des Grundfreibetrags und Einkommensteuertarifs, DStR 2019, 2663)

• 2021

Grundfreibetrag / Berücksichtigung der Aufwendungen für den Mund-Nasen-Schutz als Regel- oder Mehrbedarf / § 32a EStG

 

Die Berücksichtigung von Aufwendungen für den Mund-Nasen-Schutz dürfte nicht in Betracht kommen im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG, da es an der Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen fehlt. Auch eine Verletzung des subjektiven Nettoprinzips dürfte ausscheiden. Indisponibles Einkommen ist nicht mit existenznotwendigem Einkommen gleichzusetzen. Fraglich könnte aber sein, ob die Aufwendungen für den Mund-Nasen-Schutz über den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG abgegolten sind. Eine Berücksichtigung über den Grundfreibetrag könnte nur dann in Betracht kommen, wenn die Aufwendungen dem Regelbedarf zuzuordnen und über den derzeitigen Regelbedarf nicht abgegolten sind. Ob die Aufwendungen dem Regel- oder dem Mehrbedarf zuzuordnen sind, wird derzeit im Rahmen der Sozialgerichtsbarkeit geklärt (vgl. z. B. SG Mannheim v. 25.2.2021, S 7 AS 301/21 ER). Vom Ergebnis hängen dann die weiteren steuerlichen Konsequenzen ab.

(so Rüsch, Zur steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für einen Mund-Nasen-Schutz – Replik zu Moser (FR 2021, 97), FR 2021, 377)

• 2022

Verfassungsmäßigkeit des Einkommensteuertarifs 2022 / § 32a EStG

 

Es stellt sich die Frage, ob der im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 2022 verabschiedete ESt-Tarif 2022 verfassungsgemäß ist. Dies dürfte vor dem Hintergrund der derzeitigen Inflationsrate zu verneinen sein. Der Grundfreibetrag wird faktisch eingefroren und der Tarif nur minimal angehoben. Der Existenzsicherung dienende Einkommensteile werden der Besteuerung unterworfen. Die Entlastung bleibt unter Berücksichtigung der Preisentwicklung weitgehend wirkungslos.

(so Dziadkowski, Einkommensteuertarif 2022 evident realitätsfern und verfassungswidrig?, BB 2022, 1882)

• 2023

Verfassungsmäßigkeit des Einkommensteuertarifs 2022 / § 32a EStG

 

Es stellt sich die Frage, ob der ESt-Tarif 2022 verfassungsgemäß ist. Dies dürfte vor dem Hintergrund der derzeitigen Inflationsrate und der kalten Progression zu verneinen sein, zumal es zu einer steuerlichen Belastung sogar dann kommen kann, wenn die nominalen Lohn- und Gehaltssteigerungen die Inflationsrate nicht ausgleichen. Auch dürfte es zur Bestimmung des Grundfreibetrags und der Tarifstruktur nicht sachgerecht sein, auf das sozialhilferechtliche Existenzminimum abzustellen. Realitäts- und zeitnäher wäre ein Abstellen auf die Armutsgefährdungsgrenze. Im Übrigen dürften auch punktuelle Entlastungsmaßnahmen zu weiteren Verwerfungen und Verzerrungen führen.

(so Dziadkowski, Einkommensteuertarif auf dem Weg aus der Verfassungskonformität, BB 2023, 726)

Verfassungsmäßigkeit des Einkommensteuertarifs 2022 / § 32a EStG

 

Es stellt sich die Frage, ob der ESt-Tarif vor dem Hintergrund der Einführung des Bürgergel...

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