• 2019

Abfindungen im Zusammenhang mit zurückliegenden Mitarbeiterentsendungen / Inbound-Fall / Outbound-Fall / § 50d Abs. 12 EStG

 

Nach § 50d Abs. 12 EStG sollen Abfindungen insoweit im ehemaligen Tätigkeitsstaat besteuert werden, als diesem das Besteuerungsrecht für die aktive Tätigkeit zustand. Zu erfolgen hat die Aufteilung nach der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses. Fraglich ist die Anwendung von § 50d Abs. 12 EStG auf Abfindungen, die im Zusammenhang mit zurückliegenden Mitarbeiterentsendungen gezahlt werden. Hierbei ist zwischen Outbound-Fällen (unbeschränkte Steuerpflicht des Arbeitnehmers) und Inbound-Fällen (beschränkte Steuerpflicht des Arbeitnehmers) zu unterscheiden. Im Inbound-Fall dürfte § 50d Abs. 12 S. 1 EStG regelmäßig nicht anwendbar sein, da Art. 15 Abs. 2 OECD-MA als lex spezialis Art. 15 Abs. 1 OECD-MA, an den § 50d Abs. 12 EStG anknüpft, verdrängt. Dies führt dazu, dass nach Rückkehr des Arbeitnehmers in das Heimatland diesem - da alle Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 OECD-MA vorliegen - das ausschließliche Besteuerungsrecht an der Abfindung zusteht. Im Übrigen dürfte insoweit auch ein strukturelles Vollzugsdefizit im Hinblick auf die Anwendung von § 50d Abs. 12 EStG gegeben sein. Dagegen erfasst § 50d Abs. 12 EStG grundsätzlich den Outbound-Fall. Erfasst werden die Fälle, in denen der unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer entweder für eine begrenzte Zeit im Ausland tätig war oder Deutschland nach Beendigung des Dienstverhältnisses verlässt. Folge ist die anteilige inländische Besteuerung der Abfindung.

(so Kraft/Muscheites, Überlegungen zur Anwendung des § 50d Abs. 12 EStG bei Mitarbeiteraufwendungen, DStR 2019, 544)

Treaty Override/Vereinbarkeit mit dem unionsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip/§ 50d EStG/Art. 2 Abs. 1 EUV

 

Der EuGH hat entschieden, dass ein Treaty Override sowohl mit der Niederlassungsfreiheit als auch mit der Unionstreuepflicht vereinbar ist. Ebenfalls hat das BVerfG entschieden, dass ein Treaty Override mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar ist. Fraglich ist, ob ein Treaty Override mit dem unionsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip vereinbar ist. Der EuGH hat bisher über diese Frage noch nicht entschieden. Die Fragestellung dürfte aber zu verneinen sein. Nach dem Unionsrecht kommt dem Völkervertragsrecht ein Zwischenrang zu. Es ist nachrangig gegenüber dem unionsrechtlichen Verfassungsrecht und vorrangig gegenüber dem von der Union gesetzten Recht. Den gleichen Zwischenrang hat unionsrechtlich auch das für Deutschland verbindliche Völkervertragsrecht. Dies folgt aus dem unionsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip. Von daher steht das unionsrechtliche Rechtsstaatsprinzip als unionsrechtliches Verfassungsrecht dem deutschen Treaty Override (§ 50d EStG) entgegen. Zu klären ist die Frage von dem EuGH. Hierzu wäre eine entsprechende Vorlage durch ein deutsches FG erforderlich.

(so Daragan, Rechtsstaatsprinzip der Union und Treaty Override, DStR 2019, 1329)

• 2021

Unionsrechtswidrigkeit von § 50d Abs. 3 EStG / Vorgehensweise bis zur gesetzlichen Neuregelung / § 50d Abs. 3 EStG

 

§ 50d Abs. 3 EStG – hierbei handelt es sich um eine Missbrauchsvorschrift - ist unionsrechtswidrig (EuGH v. 20.12.2017, C-504/16, C-613/16; EuGH v. 14.6.2018, C-440/17, GS). Das BZSt wendet § 50d Abs. 3 EStG wohl weiterhin an. Das FG Köln hat den unionsrechtswidrigen § 50d Abs. 3 EStG bis zum Inkrafttreten der beabsichtigten gesetzlichen Neuregelung geltungserhaltend ausgelegt, indem es den Gegenbeweis im Sinne eines Motivtests zugelassen hat (FG Köln v. 23.1.2019, 2 K 1315/13 – I R 27/19). Der BFH dürfte im Revisionsverfahren der geltungserhaltenden Auslegung des FG Köln folgen. Er könnte allenfalls im Rahmen der konkreten Missbrauchsprüfung zu einem anderen Ergebnis kommen. Die Entscheidung des EuGH führt nicht zur Nichtigkeit von § 50d Abs. 3 EStG. Ein unionsrechtskonformer Zustand kann bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung über eine geltungserhaltende Auslegung erreicht werden. Im Rahmen der geltungserhaltenden Auslegung gelten der unionsrechtliche Missbrauchsbegriff und die unionsrechtlichen Anforderungen an einen Gegenbeweis. Der unionsrechtliche Missbrauchsbegriff umfasst rein künstliche Konstruktionen, die allein auf die Erlangung einer Steuerbegünstigung ausgerichtet sind und nicht über ein wirtschaftliches Substrat oder eine wirtschaftliche Zielsetzung verfügen. Die Prüfung insoweit muss jeweils individuell vorgenommen werden. Außerdem muss die Möglichkeit eines Gegenbeweises eröffnet sein. In dessen Rahmen ist nachzuweisen, dass die Erlangung eines Steuervorteils nicht Hauptzweck der Gestaltung ist und dass die ausländische Gesellschaft eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, wobei an diese nur geringe Anforderungen zu stellen sind. In entsprechenden Fällen sollte beim BZSt von der Möglichkeit, einen Gegenbeweis zur Missbrauchsvermutung des § 50d Abs. 3 EStG erbringen zu können, Gebrauch gemacht werden. Wird dies vom BZSt abgelehnt, sollten Rechtsmittel eingelegt werden. Auch sollten bei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge