• 2020

Anlaufhemmung / Zweifelsfragen / § 170 Abs. 2 AO

 

Die Abgabe der Steuererklärung beendet die Anlaufhemmung nur dann, wenn die FinVerw dadurch in die Lage versetzt wird, das Veranlagungsverfahren einzuleiten. Auf die inhaltliche Richtigkeit oder die Einhaltung von Formalitäten kommt es nicht an. Keine Geltung hat dies, wenn die eingereichte Steuererklärung derart lückenhaft ist, dass von einer Nichterklärung ausgegangen werden muss. Das Erfordernis weiterer Ermittlungen steht der Beendigung der Anlaufhemmung nicht entgegen. Die Abgabe der Steuererklärung bei einem unzuständigen FA löst nach Auffassung des BFH den Beginn der Festsetzungsfrist noch nicht aus, sondern erst deren Weiterleitung an das zuständige FA. Dem dürfte nicht zu folgen sein. Vielmehr ist maßgebend der Eingang bei dem nach Ansicht des Stpfl. zuständigen FA. Anders ist dies nur, wenn sich der Stpfl. für ihn erkennbar an ein offenkundig unzuständiges FA wendet (vgl. VIII R 31/19). Die Steuererklärung muss dem Stpfl. zugerechnet werden können. Dies verlangt zumindest eine Unterschrift bzw. eine Authentifizierung. Auch bedarf es der Erklärung, dass die Angaben in der Steuererklärung wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen gemacht wurden. Werden der FinVerw die besteuerungsrelevanten Sachverhalte ohne Zutun des Stpfl. bekannt, liegt insoweit keine Steuererklärung vor. Entgegen der Auffassung des BFH (V R 30/18) dürfte auch eine erkennbar von einem Dritten stammende Steuererklärung nicht zur Beendigung der Anlaufhemmung führen. Eine Ausnahme gilt bei Annahme eines Vertretungsverhältnisses. Bei Anzeigen - z. B. nach § 19 GrEStG - dürften geringe Mängel der Beendigung der Anlaufhemmung nicht entgegenstehen. Erfolgen muss nach Auffassung des BFH die Anzeige an die innerhalb des FA zuständige Funktionseinheit. Dem dürfte nicht zu folgen sein. Die entsprechende Zuleitung obliegt dem FA. Sind Dritte zur Anzeige verpflichtet, gilt § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO. Nach Auffassung des BFH steht der Anzeige durch den Stpfl. die tatsächliche Kenntniserlangung durch das FA gleich. Dies dürfte mit dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar sein. Gleiches dürfte auch für die Auffassung des BFH gelten, wonach, wenn die FinVerw den Stpfl. nach einer Anzeige zur Abgabe einer Steuererklärung auffordert, die Abgabe der Steuererklärung für den Fristbeginn maßgebend ist.

(so Tiede, Zweifelsfragen der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 AO - Beginn der Festsetzungsverjährung bei Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung oder Erstattung einer Anzeige, NWB 2020, 1714)

• 2021

Ablaufhemmung beim Tätigwerden der Steuerfahndung / § 171 Abs. 5 Satz 1 AO

 

Die Rechtsprechung des BFH hinsichtlich der Ablaufhemmung beim Tätigwerden der Steuerfahndung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO dürfte als unklar anzusehen sein. Voraussetzung für die Ablaufhemmung dürfte zum einen sein, dass für den Stpfl. erkennbar ist, dass gegen ihn ermittelt wird. Von daher dürften amtsinterne Maßnahmen keine Ablaufhemmung auslösen. Zum anderen muss für den Stpfl. erkennbar sein, welcher Lebenssachverhalt Gegenstand der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen ist und welche tatsächlichen, steuerlich bedeutsamen Umstände vom Eintreten der Festsetzungsverjährung ausgenommen sind. Von daher dürfte der Regelung in § 171 Abs. 5 Satz 1 AO Doppelwirkung zukommen. Soweit deren Voraussetzungen vorliegen, tritt Ablaufhemmung ein, soweit dies nicht der Fall ist, läuft die Festsetzungsverjährung weiter. Diese Auslegung zu § 171 Abs. 5 Satz 1 AO entspricht der Auslegung zu § 171 Abs. 5 Satz 2 AO. Eine Ungleichbehandlung der beiden Fallgestaltungen dürfte mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar sein.

(so Bowitz, Zur Auslegung von § 171 Abs. 5 Satz 1 AO, BB 2021, 923)

Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO bei Antrags- und Pflichtveranlagungen / § 171 AO

 

Bei der Antragsveranlagung stellt die Abgabe der Steuererklärung einen Antrag i.S.d. § 171 Abs. 3 AO dar (BFH v. 23.9.2020, BStBl II 2021, 341). Bei der Pflichtveranlagung gilt dies nicht (BFH v. 23.9.2020, BStBl II 2021, 341). Anders ist dies, wenn zusätzlich ein Antrag gestellt wird und sich aus diesem zweifelsfrei ergibt, inwieweit eine Steuerfestsetzung begehrt wird. Erforderlich hierfür sind über die reine Bezifferung des Antrags hinaus qualifizierte Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen. Ausreichend insoweit ist auch eine substantiierte eigene Schätzung (BFH v. 23.9.2020, BStBl II 2021, 341). Aus dem obigen Urteil des BFH dürften nachfolgende Schlussfolgerungen zu ziehen sein, wobei allerdings Rechtsunsicherheiten verbleiben. Bei Pflichtveranlagungen führt die Abgabe einer Steuererklärung ohne zusätzlichen Antrag nicht zur Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO. Anders ist dies bei Abgabe einer Steuererklärung mit ausdrücklichem Antrag auf Festsetzung nach Maßgabe der eingereichten Steuererklärung. Der Antrag sollte schriftlich erfolgen und ausdrücklich auf § 171 Abs. 3 AO gestützt werden. Er sollte in einem von der Steuererklärung getrennten Schreiben erfolgen....

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