Rz. 1230

[Autor/Stand] In Fällen des Internationalen Steuerstrafrechts sind zunehmend Beweisanträge auf Ladung und/oder Vernehmung eines im Ausland befindlichen Zeugen Gegenstand der Hauptverhandlung[2]. Was entsprechende Beweisanträge betrifft, gelten die allgemeinen Anforderungen (vgl. zum Ganzen § 385 Rz. 674 ff., § 392 Rz. 491 ff.)

 

Beispiel

Für die Frage, welchem der beiden in Betracht kommenden Staaten das Besteuerungsrecht zusteht, kam es darauf an, wo der Angeklagte nach Maßgabe von Art. 4 Abs. 2 DBA-Kanada 1981 ansässig war.

Mehrere Zeugen wurden im Ermittlungsverfahren (richterlich) im Ausland vernommen. Die Vernehmungen sollen in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Die Vernehmungen widersprechen sich indes teils erheblich.

 

Rz. 1231

[Autor/Stand] Zu sog. "Ansässigkeitsanträgen" vgl. BGH vom 6.9.2011[4] (Fall Schreiber). Dort stellte die Verteidigung einen Antrag mit dem Ziel, die Ansässigkeit des Angeklagten Schreiber in Kanada zu beweisen, und benannte zum Beweis der Tatsache eine Vielzahl von Zeugen und weshalb diese hierzu Bekundungen treffen können. Die Ablehnung richtet sich nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO[5]. Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann danach abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre.

 

Rz. 1232

[Autor/Stand] Besondere Bedeutung maß der BGH in diesem Fall dem sog. Konnexitätserfordernis zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung zu. Darunter ist im Falle des Zeugenbeweises zu verstehen, dass der Antrag erkennen lassen muss, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll[7]. In jedem Fall ist anzuraten, konkret darzulegen, wieso und was der Zeuge zur Ansässigkeit bezeugen kann[8]. Art. 4 Abs. 2 DBA-Kanada 1981 entscheidet insoweit darüber, welcher der beiden Vertragsstaaten als Ansässigkeitsstaat und welcher als Quellenstaat zu behandeln ist, wenn eine Person nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Kanada 1981 in beiden Staaten ansässig ist. Dem danach gegebenen Ansässigkeitsstaat steht dann das Besteuerungsrecht für die Gewinne des Unternehmens zu. Etwas anderes gilt, wenn das Unternehmen in dem jeweils anderen Staat über eine Betriebsstätte verfügt. (vgl. Art. 7 Abs. 1 DBA-Kanada 1981), der dann der sog. Quellenstaat ist.

 

Rz. 1233

[Autor/Stand] Die Ladung des Zeugen erfolgt entweder mittels unmittelbarer Zustellung per Post, wenn dieser Weg vertraglich zugelassen ist (Art. 52 SDÜ), über die Auslandsvertretungen der Bundesrepublik oder im Wege der Zustellung durch den ersuchten Staat (Art. 7 Abs. 1 EU-RhÜbK 2000 Art. 3 ZP-EuRHÜbK 1978)[10]. Das Erscheinen kann indes nicht mit Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden (Art. 8 EuRHÜbK 1978, Art. 52 SDÜ, § 59 IRG). Gemäß Art. 12 EuRHÜbK 1978 kann einem Zeugen jedoch "freies Geleit" zugesichert werden[11] und die unterbliebene Aufnahme einer solchen Zusicherung einen Revisionsgrund bilden[12]. In jüngerer Zeit kommt es auch häufiger vor, dass, wenn ein Zeuge sich nicht bereit erklärt, zur Vernehmung nach Deutschland zu reisen, das erkennende Gericht nebst allen Prozessbeteiligten sich auf dem Rechtshilfeweg ins Ausland begibt und der Vernehmung durch einen örtlichen Richter beiwohnt, der zuvor im Rechtshilfewege übersandte Fragen an den Zeugen richtet.

 

Rz. 1234

[Autor/Stand] Der Aufenthalt eines Zeugen im Ausland hebt seine Erreichbarkeit mithin nicht auf. Ein entsprechender Beweisantrag kann nur dann abgelehnt werden, wenn die Vernehmung nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist (vgl. auch § 244 Abs. 5 StPO). Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandzeugen kann ferner abgelehnt werden, wenn dieser nach den vorliegenden polizeilichen und richterlichen Vernehmungsniederschriften nicht erforderlich ist[14]. Nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO darf die Ladung eines Zeugen im Ausland nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts auch dann zurückgewiesen werden, wenn das Gericht aufgrund hinreichender Anhaltspunkte die sichere Überzeugung erlangt, dass durch die beantragte Einvernahme eine weiterführende und bessere Sachaufklärung nicht zu erwarten ist[15]. In diesen Fällen entfällt auch die Pflicht zur Prüfung, ob eine Vernehmung im Rechtshilfeweg möglich ist. Kommt es auf die Vernehmung des Zeugen an bzw. ist eine solche aus Aufklärungsgesichtspunkten heraus geboten, stehen mehrere Wege zur Verfügung.

 

Rz. 1235

[Autor/Stand] Die Nichterreichbarkeit eines Auslandszeugen darf nur dann festgestellt werden, wenn alle der Bedeutung seiner Aussage entsprechenden Bemühungen des Gerichts, ihn zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu veranlassen, erfolglos geblieben sind und auch zukünftig nicht absehbar ist, dass er erscheint. Insofern muss versucht werden, den Zeugen direkt oder durch den ausländischen Staat zur Hauptverhandlung zu laden[17].

 

Rz. 1236

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