Rz. 93

[Autor/Stand] Häufig besteht zwischen einer Steuerhinterziehung und anderen Tatbeständen Idealkonkurrenz (§ 52 StGB) oder es liegt eine Tat iS des § 264 StPO vor. In diesem Zusammenhang ist streitig, ob die Aussetzung des Verfahrens nach § 396 AO bewirkt, dass nur die Verjährung der Steuerhinterziehung ruht und die Verjährung der anderen Delikte ungehemmt weiterläuft[2] oder ob auch die Verjährung der mit der Steuerhinterziehung zusammentreffenden allgemeinen Straftat durch diese Aussetzung zum Ruhen gebracht wird[3].

 

Rz. 94

[Autor/Stand] Für die Annahme eines ungehemmten Laufs der Verjährung der allgemeinen Straftatbestände sind folgende Argumente zu finden:

Zunächst spricht dafür der Ausnahmecharakter des § 396 Abs. 3 AO als auch auf die generelle Funktion des Instituts der Verjährung. So hat der Gesetzgeber die Verjährungsregelungen in der Erkenntnis getroffen, dass nach Ablauf einer gewissen Zeit eine Bestrafung weder kriminalpolitisch notwendig noch gerecht erscheine, und je nach Art des Delikts differenzierte Fristen bestimmt. Weiterhin wird hierfür angeführt, dass die mit einer Verfahrensaussetzung verbundene Gefahr des Verlustes und der Entwertung von Beweismitteln infolge des Zeitablaufs im Steuerstrafverfahren dadurch kompensiert wird, dass in dem anhängigen Besteuerungsverfahren hinsichtlich dieses Tatkomplexes Erkenntnisse gewonnen werden. Dies ist bezüglich der anderen mit der Steuerhinterziehung zusammentreffenden allgemeinen Tatbestände in aller Regel nicht der Fall, sodass insoweit die Gewähr für den Nachweis der Strafbarkeit wegen dieser Tatbestände mit zunehmender zeitlicher Verzögerung schwindet, ohne dass die Erkenntnismöglichkeiten durch ein anderes Verfahren gefördert werden könnten. Schließlich wird auf die anderen Fälle der Aussetzung (§§ 154d, 262 StPO) verwiesen, in denen sich der Gesetzgeber nicht für ein Ruhen der Verjährung entschieden hat (s. Rdnr. 32).

 

Rz. 95

[Autor/Stand] Letztlich kann dieser Ansicht aber nicht gefolgt werden. Nach zutreffender Auffassung erstreckt sich das Ruhen der Verjährung auf die gesamte Tat im verfahrensrechtlichen Sinne des § 264 StPO und damit insb. auch auf allgemeine Straftaten, die in Tatmehrheit (§ 52 StGB) mit der Steuerstraftat stehen.

Die Gegenansicht vermag schon im Hinblick auf den Zweck der Norm nicht zu überzeugen. So würde der Weiterlauf der Verjährung der allgemeinen Straftaten die praktische Relevanz des § 396 AO noch weiter reduzieren. Die Ermittlungsbehörden wären dann nämlich zur Überwachung der Verjährungsfristen der allgemeinen Straftaten verpflichtet, was einen erheblichen Mehraufwand bedeuten und bereits ein erstes "psychologisches Hemmnis" gegen die Verfahrensaussetzung darstellen würde. In diesem Fall müssten – entgegen dem Sinn und Zweck des § 396 AO – sofern nicht eine Verfahrensbeschränkung nach § 154a StPO in Betracht kommt, divergierende Entscheidungen in Kauf genommen werden, allein weil das Verfahren im Hinblick auf die Verjährung der allgemeinen Straftaten nicht ausgesetzt oder dessen Fortsetzung zur Vermeidung der Verjährung der Nichtsteuerdelikte erforderlich wird[6]. Die Forderung einer vermehrten Anwendung des § 396 AO in der Praxis (s. Rdnr. 21) verspricht aber nur dann Erfolg zu haben, wenn gleichzeitig auch die Verfolgung der allgemeinen Straftaten gewährleistet ist und insoweit das Risiko der Verjährung aufgrund der Aussetzung ausgeschlossen wird.

Daneben spricht auch der Wortlaut des § 396 AO für die hier vertretene Auffassung. Dieser beschränkt nämlich weder die Aussetzungsbefugnis noch die Wirkung der Aussetzung auf die Steuerstraftatbestände, sondern bezieht sich auf das gesamte "Verfahren"[7]. Gegenstand des Strafverfahrens ist nach § 264 StPO aber die Tat im prozessualen Sinne[8], sodass sich die Wirkung des § 396 Abs. 3 AO folgerichtig auch auf diese bezieht.

Schließlich spricht auch ein Vergleich mit der Regelung der Verjährungsunterbrechung für eine Erstreckung der Sperrwirkung auf die Nichtsteuerdelikte. Diese erfasst nach hM nämlich ebenfalls das gesamte Tatgeschehen im verfahrensrechtlichen Sinne[9]. Ein Grund, das Ruhen der Verjährung insoweit anders zu beurteilen, ist dagegen nicht ersichtlich.

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.08.2017
[2] So Brenner, BB 1980, 1322; Harbusch, ddz 1978 Fach 27; Baumann, BB 1976, 755.
[3] Hellmann in HHSp., Rdnr. 85 f., 63; Jäger in JJR8, Rdnr. 59; Hadamitzky/Senge in Erbs/Kohlhaas, Rdnr. 10; Schuhmann, wistra 1992, 172 (177).
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.08.2017
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.08.2017
[6] So auch Jäger in JJR8, Rdnr. 59.
[7] Ebenso Jäger in JJR8, Rdnr. 59; Hellmann in HHSp., Rdnr. 86.
[8] Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt60, § 264 StPO, Rdnr. 1.
[9] So Jäger in JJR8, Rdnr. 59; Stree/Sternberg-Lieben/Bosch in Schönke/Schröder29, § 78c StGB Rdnr. 23.

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