a) Vermeidung divergierender Entscheidungen

 

Rz. 13

[Autor/Stand] Die heute hM sieht den Sinn und Zweck des § 396 AO gerade in der Vermeidung jener divergierenden Entscheidungen zwischen dem Steuerstrafverfahren und dem Besteuerungsverfahren und der daraus resultierenden Rechtsunsicherheit[2]. Demgegenüber stellte das BayObLG jenen Zweck des § 396 AO infrage, indem es zwar einräumte, dass § 396 AO helfen soll, widersprüchliche Entscheidungen zu verhindern, weiterhin aber zutreffend ausführte, dass § 396 AO solche Entscheidungen ohnehin nicht ausschließen kann[3].

 

Rz. 14

[Autor/Stand] Die Betrachtungsweise der hM war sicherlich unzweifelhaft zutreffend, solange das Gesetz die Verpflichtung zur Aussetzung bzw. die Bindung an Entscheidungen des obersten FG vorsah. Nachdem beides beseitigt worden ist (s. Rdnr. 5 ff.), ist diese Beurteilung aber zumindest infrage zu ziehen. Wie das BayObLG in der oben genannten Entscheidung zutreffend feststellte, vermag § 396 AO per se nämlich gerade nicht, widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden. Dies folgt daraus, dass für das Strafgericht bzw. die Ermittlungsbehörde keine Rechtspflicht zur Aussetzung des Strafverfahrens besteht. Es ist daher nicht auszuschließen, dass ungeachtet der Existenz des § 396 AO im Steuerstrafverfahren und im Besteuerungsverfahren weiterhin divergierende Entscheidungen getroffen werden. Gleichwohl stellt § 396 AO ein mögliches Instrumentarium zur Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen dar. So liegt es allein in der Hand der am Verfahren Beteiligten, durch die Anwendung der vom Gesetzgeber mit § 396 AO geschaffenen Möglichkeit Gebrauch zu machen und dadurch die Wahrung der Rechtseinheit zu gewährleisten. Aus diesem Grund ist es angebracht, auch nach der Änderung des Gesetzestextes den primären Sinn und Zweck des § 396 AO nach wie vor in der Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen zu sehen.

b) Sonstige Zwecke

 

Rz. 15

[Autor/Stand] Daneben wird der Zweck des § 396 AO in der Literatur mitunter auch mit prozessökonomischen und verfahrensbeschleunigenden Gründen umschrieben[6]. Dies belegen die bereits wiedergegebenen Begründungen, die anlässlich der früheren Änderung der Vorschriften gegeben wurden: Die Regelung wurde als "umständlich", die mit ihrer Verwendung verbundenen zeitlichen Verzögerungen als unerwünscht empfunden (s. Rdnr. 5, 7). Die Abschaffung der Verpflichtung zur Aussetzung des steuerstrafrechtlichen Verfahrens bis zum Abschluss des Besteuerungsverfahrens mag auf prozessökonomische Gründe zurückzuführen sein, doch lässt sich damit nicht die Beseitigung der Bindungswirkung an die Entscheidungen des BFH begründen[7].

 

Rz. 16

[Autor/Stand] Des Weiteren wird der wesentliche Zweck des § 396 AO vereinzelt im Ruhen der strafrechtlichen Verjährung aufgrund des Abs. 3 der Vorschrift gesehen[9]. Dies wird damit begründet, dass darin die einzige rechtliche Besonderheit gegenüber den allgemeinen Aussetzungsvorschriften der §§ 262 und 154d StPO liege.

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.08.2017
[2] Seipl in Beermann/Gosch, Rdnr. 5; Nikolaus in Schwarz/Pahlke, Rdnr. 2; Jäger in JJR8, Rdnr. 6; Jäger in Klein13, Rdnr. 1; Hellmann in HHSp., Rdnr. 9; Blesinger in Kühn/v. Wedelstädt21, Rdnr. 1; Hadamitzky/Senge in Erbs/Kohlhaas, Rdnr. 1; Isensee, NJW 1985, 1007 (1008).
[3] BayObLG v. 3.3.2004 – 4 St RR 8/2004, wistra 2004, 239.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.08.2017
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.08.2017
[6] Reiß, StuW 1986, 68; Schlüchter, JR 1985, 360 (361); Isensee, NJW 1985, 1007 (1008); aA Seipl in Beermann/Gosch, Rdnr. 5 f.
[7] Vgl. Hellmann in HHSp., Rdnr. 9.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.08.2017
[9] Seipl in Beermann/Gosch, Rdnr. 7.

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