Rz. 196

[Autor/Stand] Schutzobjekt des § 393 Abs. 2 AO sind nur solche Tatsachen und Beweismittel, die der Stpfl. "in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten" offenbart hat[2].

 

Rz. 197

[Autor/Stand] Umstr. ist, ob das nur bei erzwingbaren steuerlichen Mitwirkungspflichten gilt. Nach überw. Ansicht, auch des BGH (s. nachst. Rz. 201), genügen Anträge auf Steuererstattung oder Steuervergütung nicht[4]. Nach zutr. Ansicht ist dies aber auch gelegentlich der Wahrnehmung steuerlicher Rechte möglich[5]. Dann entsteht für den Stpfl. die Pflicht, insoweit wahrheitsgemäße Angaben zu machen.

 

Rz. 198

[Autor/Stand] Nur durch wahrheitsgemäße Angaben können die steuerlichen Erklärungspflichten erfüllt werden[7]. Werden der FinB gegenüber vorsätzlich falsche Angaben gemacht unter Vorlage gefälschter Unterlagen (§ 267 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 StGB), so greift der Schutz des § 393 Abs. 2 Satz 1 AO nach einhelliger Ansicht[8] nicht ein.

 

Rz. 199

[Autor/Stand] Das gilt nach der Rspr. des BGH insb. dann, wenn der Stpfl. durch Vorlage unechter Urkunden die FinB zu täuschen versucht[10].

 

Beispiel 7

Der Angeklagte hatte ungerechtfertigte Umsatzsteuererstattungen in Millionenhöhe geltend gemacht. Den Anmeldungen lagen angebliche, tatsächlich jedoch nicht durchgeführte Ankäufe von gebrauchten Kraftfahrzeugen im Inland mit Umsatzsteuerausweis zugrunde, deren anschließender umsatzsteuerfreier Export nach Spanien oder in die Niederlande behauptet wurde. Zum Nachweis seiner angeblichen Vorsteuererstattungsansprüche ließ er im Rahmen von Umsatzsteuersonderprüfungen die zuvor von ihm selbst gefälschten Einkaufsrechnungen, Lieferscheine und Verkaufsrechnungen vorlegen oder dem FA auf dessen Anforderung übersenden.

Das LG hatte den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt.

Die Revision blieb abgesehen von einer geringfügigen Schuldspruchänderung wegen Verkennung des Konkurrenzverhältnisses zwischen § 370 AO und § 267 StGB ohne Erfolg. Nach Ansicht des BGH soll das Verwertungsverbot des § 393 Abs. 2 AO als prozessuale Ausgestaltung des Steuergeheimnisses nach § 30 AO dem Stpfl. ermöglichen, seiner Verpflichtung nachzukommen, alle steuerlich relevanten Tatsachen zu offenbaren, auch soweit sie auf strafbarem Verhalten beruhen. Ein Verwertungsverbot ergebe sich indes nicht in den Fällen, in denen der Täter zum Nachweis seiner falschen Angaben dem FA unechte Urkunden i.S.d. § 267 StGB vorlege. Zwar habe sich der Stpfl. vorliegend in einer Konfliktlage befunden: Entweder bekräftigte er die falschen Angaben durch Vorlage der Urkunden oder er lief Gefahr, sich durch wahrheitsgemäße Angaben oder Verweigerung der Zusammenarbeit mit dem Sonderprüfer einem Steuerstrafverfahren auszusetzen. Hier greife allerdings der Nemo-tenetur-Grundsatz nicht ein. Dieser finde seine Grenze dort, wo es nicht mehr um ein bereits begangenes Fehlverhalten, sondern um die Schaffung neuen Unrechts gehe. Der Stpfl. müsse die durch seine Verweigerung der Mitwirkung ggf. einsetzende Strafverfolgung wegen der begangenen Steuerhinterziehung hinnehmen[11].

Überholt ist damit die frühere Rspr. des BayObLG[12], nach der das Verwendungsverbot bzgl. einer tateinheitlich mit der Steuerhinterziehung begangenen Urkundenfälschung auch dann greift, wenn der Stpfl. nach Aufforderung zur Nachweiserbringung im Rahmen der Außenprüfung dem Betriebsprüfer gefälschte Belege vorlegt[13] bzw. dem FA gefälschte Belege übersendet[14]. Etwas anderes gelte – so das BayObLG –, wenn er der Einkommensteuererklärung unaufgefordert gefälschte Belege beifüge.

 

Rz. 200

[Autor/Stand] Dagegen kann auch eine Selbstanzeige nach hier vertretener Ansicht[16]"in Erfüllung steuerlicher Pflichten" abgegeben werden (a.A. die Rspr. und ihr folgende Literatur, s. Nachw. Rz. 201 ff.). Zwar besteht keine Verpflichtung zur Erstattung einer Selbstanzeige und damit zur strafrechtlichen Selbstbelastung. Das schließt jedoch nicht aus, dass die berichtigenden und andere Delikte offenbarenden Angaben in Erfüllung steuerlicher Mitwirkungspflichten bzw. einer generell bestehenden steuerrechtlichen Wahrheitspflicht gemacht werden, z.B. durch ordnungsgemäße Jahressteuererklärung, durch die unrichtige Angaben betr. die vorhergehenden Veranlagungszeiträume korrigiert werden oder durch Vorlage von Urkunden oder Belegen nach Aufforderung des FA. In diesen Fällen ist der Stpfl. durch §§ 30, 393 Abs. 2 Satz 1 AO vor einer Verfolgung der nichtsteuerlichen Delikte (z.B. Urkundenfälschung gem. § 267 StGB) geschützt.

 

Rz. 200.1

[Autor/Stand] Auch bei dem neuen Ausschlussgrund für die Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO (Bekanntgabe der Anordnung der Außenprüfung) zeigt sich die Problematik.

Zudem kann die Rspr.[18] zur Berichtigungspflicht gem. § 153 Abs. 1 AO als Beleg dafür angeführt werden, dass durch eine Berichtigung beim Erkennen einer bedingt vorsätzlichen Steuerverkürzung die steuerliche Pflicht aus § 153 Abs. 1 AO erfüllt wird[19]. Das führt entweder zu einem Verwendungsverbot gem. § 393 Abs. 2 S...

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