Rz. 143

[Autor/Stand] Nicht ganz einheitlich beantwortet wird die Frage, inwieweit die Unterbrechungshandlungen geeignet und dazu bestimmt sein müssen, den Fortgang des Verfahrens gegen den Täter zu fördern. Wobei ganz überwiegend Einigkeit dahin gehend besteht, dass die Katalogtatbestände nicht im Einzelfall auf ihre Geeignetheit zu prüfen sind, allerdings solchen Maßnahmen, die ersichtlich nur zu dem Zweck getroffen werden, die Verjährung zu unterbrechen, eine verjährungsunterbrechende Kraft abzusprechen ist. Der Meinungsstreit besteht jenseits dieses Korridors und wird daher im Regelfall nicht praktisch relevant.

Die Eignung zur Verfahrensförderung wird in der Mehrzahl der in § 78c Abs. 1 StGB genannten Prozesshandlungen auch ohne besondere Prüfung anzunehmen sein. Nicht ganz eindeutig auszuschließen ist ein Missbrauch aber bei den Unterbrechungshandlungen der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten (Nr. 2), der Beauftragung eines Sachverständigen (Nr. 3) und dem richterlichen Ersuchen, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen (Nr. 12).

 

Beispiel

Gegen A ist im März 03 ein Verfahren wegen einer in 01 beendeten Steuerhinterziehung eingeleitet worden. Im Februar 08 war das finanzgerichtliche Verfahren immer noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Die BuStra beantragte daher eine richterliche Vernehmung des A, weil "sonst Verjährung" eintreten würde (vgl. auch Beispiel 2 bei Brenner[2]).

Zum Teil wird jenseits des vorgenannten Korridors die Ansicht vertreten, dass auch der alleinige Zweck, die Verjährung zu unterbrechen, diesen Effekt bewirke[3]. Demgegenüber handelt es sich nach der Gegenmeinung bei Unterbrechungshandlungen, die willkürlich und ohne jeden Förderungszweck allein zur Umgehung der Verjährungsvorschriften erlassen werden, um Scheinmaßnahmen, die keine Unterbrechung der Verjährung bewirken können[4]. Zudem sind Maßnahmen, die unter keinem Gesichtspunkt rechtmäßig sein können, nicht zur Unterbrechung geeignet.[5] Diese auf den Einzelfall abstellende differenzierende Auffassung ist vorzugswürdig, da zwecklose, nicht den Fortgang des Verfahrens fördernde Maßnahmen gegen tragende Prinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens (z.B. gegen das Beschleunigungsgebot, das Recht auf ein faires Verfahren sowie das Willkürverbot) verstoßen. Die Anerkennung derartiger missbräuchlicher Unterbrechungshandlungen widerspricht insb. dem Sinn und Zweck des Rechtsinstituts der Verjährung (s. dazu Rz. 17). Im oben genannten Beispielsfall führt daher die richterliche Vernehmung des A nicht zur Unterbrechung der Verjährung[6].

[Autor/Stand] Autor: Heerspink, Stand: 01.04.2021
[2] Brenner, BB 1985, 2043.
[3] Differenzierend Fischer68, § 78c StGB Rz. 7 unter Berufung auf BayObLG v. 13.6.1979 – 2 Ob OWi 240/79, MDR 1980, 253; ebenso Bosch in Schönke/Schröder30, § 78c StGB Rz. 3.
[4] BGH v. 12.1.1956 – 3 StR 625/54, BGHSt 9, 203; BGH v. 2.4.1958 – 2 StR 96/58, BGHSt 11, 338; BGH v. 23.1.1959 – 4 StR 428/58, BGHSt 12, 335; BGH v. 7.12.1960 – 4 StR 409/60, BGHSt 15, 234; BGH v. 24.8.1972 – 4 StR 292/72, BGHSt 25, 6 (8); ebenso Joecks in JJR8, § 376 AO Rz. 72; Jäger in Klein15, § 376 AO Rz. 65; Fischer68, § 78c StGB Rz. 7; Scheurmann-Kettner in Koch/Scholtz5, § 376 AO Rz. 14; Wolter in SK9, § 78c StGB Rz. 7; Saliger in NK5, § 78c StGB Rz. 30.
[5] Ellbogen in KK5, § 33 OWiG Rz. 9; Louis in Gassner/Seith2, § 33 OWiG Rz. 5; a.A. Bosch in Schönke/Schröder30, § 78c StGB Rz. 3.
[6] So auch Brenner, BB 1985, 2043.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge