Rz. 138

[Autor/Stand] Die Unterbrechungshandlung muss eine bestimmte Tat im prozessualen Sinne der §§ 155, 264 StPO, d.h. ein konkretes geschichtliches Vorkommnis (s. § 385 Rz. 661 ff.)[2], betreffen[3]. Dabei kommt es auf die rechtliche Qualifizierung oder ein tateinheitliches oder -mehrheitliches Zusammentreffen mehrerer Delikte mit unterschiedlicher Verjährungsfrist nicht an[4], die Unterbrechung erfasst alle im Sachverhalt verwirklichten Tatbestände.

 

Beispiele

Entsprechend soll aufgrund des engen sachlichen Zusammenhangs ein zunächst auf den Verdacht der Energiesteuerhinterziehung gestützter Durchsuchungsbeschluss auch verjährungsunterbrechende Wirkung bzgl. der Umsatzsteuerhinterziehung haben[5]. In Fällen illegaler Arbeitnehmerüberlassung unterbricht die Anordnung einer Durchsuchung wegen des Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung hingegen nicht die Verjährung wegen Lohnsteuerhinterziehung, die sich als prozessual selbständige Tat darstellt[6]. Entsprechendes gilt, wenn die nicht erklärten laufenden Zuwendungen am Ende des Verfahrens doch keine Einnahmen, sondern Schenkungen waren und daher nicht vom Vorwurf der Hinterziehung von Einkommensteuer durch zu geringe Angaben in der Einkommensteuererklärung erfasst wird[7]. Ebenso wenig unterbricht der Haftbefehl wegen einer anderen Tat die Verjährung für eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung[8].

 

Rz. 139

[Autor/Stand] Eine einheitliche verjährungsunterbrechende Wirkung entfaltet die Maßnahme nicht, wenn der Verfolgungswille der Ermittlungsbehörde sich erkennbar nur auf eine oder mehrere Taten bezieht[10]. Insoweit kommt es zu einer Umkehr der Darlegungslast; ist das Delikt von der prozessualen Tat umfasst, kommt es nur dann nicht zu einer Unterbrechung, wenn die Tat erkennbar vom Verfolgungswillen ausgenommen ist[11].

 

Rz. 140

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

 

Rz. 141

[Autor/Stand] Dass ein Beschuldigter während der Vernehmung (über eine Schmuggelfahrt) von sich aus ein bis dahin unbekanntes Tatgeschehen schildert (zweite Schmuggelfahrt), das keinen Teilakt der ihm damals schon angelasteten Tat bildet, macht diesen Teil seiner Einlassung nicht zu einer die Verjährung unterbrechenden Beschuldigtenvernehmung. Denn dies setzt voraus, dass gegen den Beschuldigten bereits ein bestimmter Tatverdacht besteht und dieser den Gegenstand seiner Vernehmung bildet[14]. Erforderlich ist ein ergänzender Unterbrechungsakt, z.B. die Mitteilung, dass das Verfahren nunmehr auch auf die neu bekannt gewordene Tat erstreckt wird (§ 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB).

 

Rz. 142

[Autor/Stand] Fraglich ist, ob zur verjährungsunterbrechenden Wirkung erforderlich ist, dass die handelnde Behörde Strafverfolgungskompetenz hat. Die FinB (§ 386 Abs. 1 AO) können richtigerweise Unterbrechungshandlungen nur im Rahmen ihrer Zuständigkeit (§ 386 Abs. 2 AO) – Steuerstraftaten und die ihnen gleichgestellten Delikte – bewirken[16] (s. eingehend § 385 Rz. 89 ff. sowie die Erl. zu § 386 und § 404). Ermittlungen, die die FinB oder ihre Hilfsorgane auf allgemeine Straftaten ausdehnen, die in Tateinheit oder -mehrheit zu Steuerdelikten stehen (z.B. Untreue, Betrug, Diebstahl, Urkundenfälschung), wären daher rechtsunwirksam und könnten demzufolge keine verjährungsunterbrechende Wirkung entfalten[17]. Demgegenüber soll nach dem BGH[18] eine Verjährungsunterbrechung auch für das Allgemeindelikt eintreten, wenn dieses von der prozessualen Tat umfasst wird und die StA[19] die Ermittlungen beauftragt hat; teilweise wird insoweit noch differenziert, ob es sich um tateinheitliche Delikte[20] oder die gleiche prozessuale Tat[21] oder um Unterbrechungstatbestände handelt, die auch der Polizei zur Verfügung stünden[22]. Diesen Auffassungen ist entgegenzutreten, denn selbst wenn die Finanz-/Zollbehörde oder ihre Fahndungsdienste im Auftrag der StA tätig werden, nehmen sie gleichwohl keine staatsanwaltschaftlichen Befugnisse wahr, die ihnen das Recht zu entsprechenden, den Täter belastenden und die Verjährung unterbrechenden Maßnahmen außerhalb des ihnen gesetzlich zugewiesenen Handlungsrahmes verleihen könnten (s. näher § 386 Rz. 92 ff. m.w.N.)[23]. Dies gilt erst recht, wenn – wie zumeist – die ermittlungsleitende Stelle die BuStra ist, welche – anders als die StA – für die Ermittlung von Allgemeindelikten keine Zuständigkeit und keine Rechtsgrundlage hat; deren insoweit veranlasste Ermittlungen sind schon im Ansatz offensichtlich rechtswidrig.

[Autor/Stand] Autor: Heerspink, Stand: 01.04.2021
[2] BGH v. 12.3.1968 – 5 StR 115/68, BGHSt 22, 105; BGH v. 14.8.1985 – 3 StR 263/85, StV 1985, 504; BGH v. 10.6.1987 – 3 StR 97/87, wistra 1988, 23; OLG Frankfurt v. 5.9.1986 – 1 Ws 163/86, wistra 1987, 32.
[3] Dazu lehrbuchhaft der Fall Konzertveranstalter, BGH v. 5.4.2000 – 5 StR 226/99, wistra 2000, 219 = NStZ 2000, 427 m. Anm. Jäger, wistra 2000; 227 und Salditt, PStR 2000, 118.
[4] BGH v. 20.12.1989 – 2 StR 377/89, wistra 1990, 148; Bosch in Schönke/Schröder30, § 78c StGB Rz. 23; a.A. Bülte in HHSp., § 376 AO Rz. 135 f.
[5] So noch sehr weit...

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