Rz. 47

[Autor/Stand] Umstritten ist die Behandlung der Verfolgungsverjährung nach Beseitigung rechtskräftiger Entscheidungen. Sie kann erfolgen durch

Nach der Rspr. soll mit Beseitigung der Rechtskraft einer Entscheidung der Lauf der Verfolgungsverjährung neu beginnen[2].

Demgegenüber wird zunehmend befürwortet, dass sich mit Beseitigung des rechtskräftigen Erkenntnisses lediglich der Lauf der alten, bis dahin ruhenden Verjährung fortsetze, wobei die Zeit der rechtskräftigen Verurteilung nicht in die Berechnung der Verjährungsfrist einzubeziehen sei[3].

 

Rz. 48

[Autor/Stand] Der Auffassung, die den Beginn einer neuen Verfolgungsverjährung ablehnt, wird der Vorzug zu geben sein. Sie wird damit begründet, es fehle in Abweichung vom früheren Recht an einer Grundlage für den Neubeginn der Verjährung, da der Fristbeginn der Verjährung in § 78a StGB abschließend geregelt sei[5] und der Katalog der Unterbrechungshandlungen gem. § 78c Abs. 1 StGB n.F. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht berücksichtige[6]. Entscheidend kommt hinzu, dass sowohl die Wiederaufnahme und die Wiedereinsetzung als auch die Aufhebung durch das BVerfG das zunächst rechtskräftige Urteil mit Rückwirkung beseitigen und daher das Verfahren in die frühere Lage zurückversetzen[7]. Bei der Wiederaufnahme geschieht dies zurück auf den Stand des Eröffnungsbeschlusses[8], bei der Wiedereinsetzung auf den Stand, den das Verfahren hätte, wenn die Frist nicht versäumt worden wäre[9], und bei der Aufhebung durch das BVerfG gem. § 95 Abs. 2 BVerfGG nach Maßgabe seiner Entscheidung. Wird aber die Strafverfolgung in einem der bezeichneten Verfahrensabschnitte wieder aufgenommen, so erscheint es sachgerecht, auch den Lauf der Verfolgungsverjährung dort wieder einsetzen zu lassen, wo die nunmehr revidierte Behandlung der Sache ihrer erneuten Prüfung und Verhandlung zuzuführen ist[10]. Nicht zu überzeugen vermögen die Einwände, dass eine zwischenzeitliche Strafvollstreckung Gefahr liefe, ihre Grundlage zu verlieren[11], und der etwa mit unlauteren Mitteln zum Freispruch gelangte Abgeurteilte möglicherweise eine unverdiente Besserstellung erfahre[12]. Das Postulat, bereits vollzogene Vollstreckungsmaßnahmen nachträglich einer Bestätigung zuzuführen, nachdem der zugrunde liegenden Entscheidung die Rechtskraft entzogen wurde, entbehrt einer rechtssystematischen Grundlage. Ihm steht auch kein rechtspolitisches Gebot zur Seite. Es entspricht dem Wesen der Verjährung, gleich welcher Theorie man insoweit folgt (s. Erl. zu Rz. 44), dass sie einen zeitlichen Schlusspunkt setzen soll. Die nicht aus der Welt zu schaffende Tatsache, dass ein Urteil rechtskräftig wurde, welches die weitere Strafverfolgung zunächst hinderte[13], findet eine angemessene Berücksichtigung darin, dass die Zeit der Rechtskraft des später aufgehobenen Urteils aus dem Rechtsgedanken des § 78b Abs. 2 StGB heraus nicht in die Verjährungsfrist einzubeziehen ist[14].

[Autor/Stand] Autor: Heerspink, Stand: 01.04.2021
[2] Vgl. BGH v. 29.11.1972 – 2 StR 498/72, jurion; OLG Frankfurt v. 25.1.1978 – 1 Ws (B) 36/78 OWiG, MDR 1978, 513; OLG Stuttgart v. 24.1.1986 – 1 Ss 40/86, MDR 1986, 608; OLG Düsseldorf v. 29.1.1988 – 4 Ws 1043/87, GA 1988, 426; OLG Düsseldorf v. 22.11.2000 – 2a Ss 295/00 - 78/00 I, NStZ-RR 2001, 142; Saliger in NK5, § 78 StGB Rz. 15; differenzierend für den Fall des rechtskräftigen Freispruchs OLG Nürnberg v. 4.5.1988 – Ws 297/88, NStZ 1988, 555; vgl. dazu die abl. Bespr. Gössel, NStZ 1988, 537 ff.
[3] Vgl. Bülte in HHSp., § 376 AO Rz. 195 f.; Kühl in Lackner/Kühl29, § 78 StGB Rz. 7; Wolter in SK9, vor § 78 StGB Rz. 10; jetzt auch Fischer68, § 78b StGB Rz. 11b; differenzierend nach Wiederaufnahme zugunsten und zuungunsten des Verurteilten Bosch in Schönke/Schröder30, § 78a StGB Rz. 15.
[Autor/Stand] Autor: Heerspink, Stand: 01.04.2021
[5] Vgl. Kühl in Lackner/Kühl29, § 78 StGB Rz. 7.
[6] Vgl. Bosch in Schönke/Schröder30, § 78a StGB Rz. 15.
[7] Vgl. Bülte in HHSp., § 376 AO Rz. 195; dies verkennend OLG Stuttgart v. 24.1.1986 – 1 Ss 40/86, MDR 1986, 608.
[8] BGH v. 17.4.1964 – 2 StE 1/64, BGHSt 19, 280 (282); Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt63, § 370 StPO Rz. 10 m.w.N.
[9] Vgl. BGH v. 21.12.1972 – 1 StR 267/72, BGHSt 25, 89 (91); Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt63, § 44 StPO Rz. 25.
[10] Vgl. Bülte in HHSp., § 376 AO Rz. 197.
[11] Vgl. Jähnke in LK12, § 78 StGB Rz. 10.
[12] Zutr. krit. hierzu Bosch in Schönke/Schröder30, § 78a StGB Rz. 15.
[13] Vgl. OLG Stuttgart v. 24.1.1986 – 1 Ss 40/86, MDR 1986, 608.
[14] Vgl. Bülte in HHSp., § 376 AO Rz. 195 ff.; Wolter in SK9, vor § 78 StGB Rz. 10.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge