Rz. 530

[Autor/Stand] Der Sperrgrund des Erscheinens eines Amtsträgers zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit ist nunmehr eigenständig in § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d AO geregelt. Anders als bei den "prüfungsbedingten"[2] Sperrgründen der Nr. 1 Buchst. a und c des § 371 Abs. 2 Satz 1 AO gilt insoweit keine Beschränkung der Sperrwirkung auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Ermittlungen. Bereits vor Einführung dieser ausdrücklichen Klarstellung zu den prüfungsbezogenen Sperrgründen ergab sich ein Unterschied daraus, dass der Ausdruck "Ermittlung" in seiner Bedeutung weitergeht als der Begriff der "Prüfung".

Zur Auslegung der Begriffe des "Amtsträgers" sowie des "Erscheinens" sei auf die Ausführungen unter Rz. 448 f. bzw. 451 ff. verwiesen.

 

Rz. 531

[Autor/Stand] Dient das Erscheinen der Amtsträger – notabene beim Stpfl., nicht bei einem gem. § 97 AO auskunftspflichtigen Dritten (s. Rz. 476 f.) – der Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit, ist die Bestimmung des sachlichen Umfangs fraglich, da es in diesen Fällen an einem schriftlichen Prüfungsauftrag, aus dem sich eine Begrenzung ergeben könnte, fehlt.

 

Rz. 532

[Autor/Stand] Vor allen Dingen betrifft § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d AO Ermittlungen der Steuer- und Zollfahndung (§ 208 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO; sog. Vorfeldermittlungen gem. § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO sind demgegenüber "steuerliche Prüfungen" i.S.d. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c AO; s. Rz. 470). In der Praxis kam diesem Ausschlussgrund (vormals § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c Alt. 2 AO a.F.) früher nur eine geringere Relevanz zu, da die Durchführung steuerstrafrechtlicher Ermittlungen eine vorherige Einleitung und Bekanntmachung (§ 397 Abs. 1 und 3, § 410 Abs. 1 Nr. 6 AO; zur Bekanntgabe eines Durchsuchungsbeschlusses vgl. § 107 StPO) bzw. Belehrung des Stpfl. (§ 393 AO; §§ 163a, 136 StPO; § 10 BpO) voraussetzt, so dass schon der Ausschlussgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b AO a.F. zum Tragen kam[5]. Nach der früher herrschenden Ansicht war zur Bestimmung des sachlichen Umfangs der Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c Alt. 2 AO a.F. auf den konkreten Ermittlungsauftrag abzustellen (s. Rz. 493). Die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c Alt. 2 AO ging daher nicht weiter als die des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b AO. Deshalb entfaltete § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c Alt. 2 AO a.F. nur dann eigenständige Bedeutung, wenn die Ermittlungsmaßnahme ohne Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung erfolgen konnte[6]. Nach der Rspr. des BGH ist der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden das entscheidende Kriterium für die sachliche Reichweite der Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c Alt. 2 AO a.F. (jetzt § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d AO)[7]. Wie der BGH betont hat, erstreckt sich der Verfolgungswille auch auf Taten, die mit dem bisherigen Ermittlungsgegenstand in sachlichem Zusammenhang stehen (s. Rz. 493). Die Sperrwirkung sei nicht auf solche Taten beschränkt, die bereits Gegenstand des Ermittlungsverfahrens sind. Damit kommt § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d AO heute eine eigenständige – über § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b AO hinausgehende – Bedeutung zu[8].

 

Beispiel 6

Der Steuerfahnder hatte angekündigt, wegen eines konkreten Geschäfts das private Girokonto des Stpfl. überprüfen zu wollen. Fraglich war, ob S noch wirksam hinsichtlich sonstiger, über dieses Girokonto ohne Rechnung abgewickelter Geschäfte Selbstanzeige erstatten konnte.

 

Beispiel 7

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erfolgte bei dem Stpfl. eine Durchsuchung wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002. Bei der Durchsuchung ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass auch in den Jahren 1999 und 2000 Einkommensteuern verkürzt wurden. Fraglich ist insoweit, ob vor Beginn der Durchsuchungsmaßnahme bzgl. der Jahre 1999 und 2000 eine Selbstanzeige noch wirksam erfolgen konnte.

 

Rz. 533

[Autor/Stand] Zunächst einmal muss sich die Ermittlungsabsicht auf eine Steuerstraftat (s. § 369 Rz. 15 ff.) oder eine Steuerordnungswidrigkeit (s. § 377 Rz. 4 ff.) beziehen.

Unter Berufung auf den Wortlaut (zur Ermittlung "einer" Steuerstraftat oder "einer" Steuerordnungswidrigkeit) soll nach einer Ansicht die Ermittlung wegen irgendeines Steuerdelikts ausreichen, um die Erstattung der Selbstanzeige für sämtliche in den sachlichen Zuständigkeitsbereich der betreffenden Fahndungsstelle fallende Steuerarten und sämtliche nicht verjährten Besteuerungszeiträume auszuschließen[10].

Die überwiegende Meinung (s. Nachw. in Rz. 493) hält demgegenüber mit Recht, wie in den Fällen des Erscheinens zur steuerlichen Prüfung, eine dem fiskalischen Zweck des § 371 AO gerecht werdende einschränkende Auslegung für geboten. Umstritten ist nur, nach welchen Kriterien diese zu erfolgen hat.

 

Rz. 534

[Autor/Stand] Zu weitgehend ist die Ansicht, die – unabhängig von der sachlichen Zuständigkeit der FinB – ausschli...

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