Schrifttum:

Beyer, Anwendungserlass zu § 153 AO – Praktische Bedeutung für Berichtigungserklärungen und Selbstanzeigen, NZWiSt 2016, 234; Cordes/Stürzl-Friedlein, Die zeitlichen Anforderungen an die Anzeige- und die Berichtigungspflicht gemäß § 153 AO und strafrechtliche Risiken bei verspäteter oder unterlassener Berichtigung (§ 153 AO), wistra 2020, 498; Höll/Hinghaus, Berichtigungspflicht nach § 153 AO bei vorsätzlicher Steuerhinterziehung, PStR 2010, 45; Neuling, Tax Compliance im Unternehmen: schlichte Anzeige (§ 153 AO) vs. Selbstanzeige, DStR 2015, 558; Samson, Strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 Abs. 4 AO) und Berichtigungspflicht (§ 153 Abs. 1 AO), wistra 1990, 245; Schauf/Schwartz, Noch Berichtigung oder schon Selbstanzeige? Der neue Anwendungserlass zu § 153 AO in der Diskussion, PStR 2015, 248; Schwartz/Höpfner, AEAO zu § 153 AO neu geregelt, PStR 2016, 210; Webel, Rücktritt von der versuchten Selbstanzeige, PStR 2014, 263; Wulf, Anwendungserlass zu § 153 AO – Hilfreiche Handreichung für die Praxis?, wistra 2016, 337.

 

Rz. 812

[Autor/Stand] § 153 Abs. 1 AO verpflichtet den Stpfl., der nachträglich erkennt, dass die von ihm oder für ihn abgegebene Steuererklärung unrichtig oder unvollständig ist und es zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, zur unverzüglichen Anzeige gegenüber der Finanzverwaltung sowie zur Berichtigung seiner Erklärung. Kommt der Stpfl. seiner Anzeigepflicht nicht unverzüglich nach, kann er sich einer (versuchten) Steuerhinterziehung durch Unterlassen gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO schuldig machen (s. § 370 Rz. 334 ff.).

 

Beispiel

Der Steuerhinterzieher S stirbt und hinterlässt Ehefrau und Kinder. Die Erben stellen bei der Erbauseinandersetzung die Steuerverfehlungen des S fest.

Nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AO sind sie verpflichtet, die falschen Steuererklärungen gegenüber dem FA zu korrigieren.

 

Rz. 813

[Autor/Stand] Sowohl im Fall der Anzeigepflicht nach § 153 AO als auch bei einer Selbstanzeige nach §§ 371, 378 Abs. 3 AO war die Steuererklärung im Zeitpunkt der Abgabe objektiv falsch. Die Berichtigungserklärung i.S.d. § 153 AO (Berichtigen oder Ergänzen) erfordert daher, wie eine Selbstanzeige i.S.d. § 371 Abs. 1 AO, die Richtigstellung der unrichtigen oder unvollständigen Angaben. Der Unterschied zwischen den Normen liegt daher ausschließlich im Verschulden hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit der Steuererklärung[3]. Eine Selbstanzeige i.S.d. § 371 Abs. 1 AO (bzw. § 378 Abs. 3 AO) ist dann gegeben, wenn der Stpfl. vorsätzlich (bzw. leichtfertig) eine unrichtige oder unvollständige Steuererklärung abgegeben hat und diese später berichtigt, während der Anzeigepflichtige bei § 153 AO die Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit bei Abgabe der Steuererklärung (u.U. auch fahrlässig) nicht kannte, sondern dies erst nachträglich erkennt.

 

Rz. 814

[Autor/Stand] Welche rechtliche Bedeutung eine Berichtigungserklärung des Stpfl. hat, ist – unabhängig von der Bezeichnung – ausschließlich nach der Schuldform hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit der Steuererklärung zu beurteilen[5]. In Betracht kommen:

  • eine Berichtigungserklärung nach § 153 AO bei nachträglichem Erkennen der Unrichtigkeit,
  • eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige gem. § 378 Abs. 3 AO bei leichtfertiger Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung oder
  • eine strafbefreiende Selbstanzeige gem. § 371 AO bei vorsätzlicher Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung.
 

Rz. 815

[Autor/Stand] Entscheidendes Merkmal der Abgrenzung ist das des "nachträglichen Erkennens" i.S.d. § 153 AO.[7] Kannte der Stpfl. die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit seiner Erklärung bereits bei ihrer Abgabe positiv, so liegt Steuerhinterziehung durch aktives Tun nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO vor, die Erklärung kann dann nur als Selbstanzeige i.S.d. § 371 AO zu werten sein. Kannte der Stpfl. die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Erklärung bei ihrer Abgabe noch nicht positiv, hielt er diese Mängel jedoch für möglich und nahm er diese Möglichkeit und die daraus resultierende Steuerverkürzung von vornherein billigend in Kauf (sog. dolus eventualis), so ist § 153 Abs. 1 AO nach der hier vertretenen Auffassung – und entgegen der Auffassung des 1. Strafsenats des BGH[8] – ebenfalls nicht anwendbar (im Einzelnen s. § 370 Rz. 337 ff.). Hat der Stpfl. bei Abgabe der Erklärung leichtfertig i.S.d. § 378 AO die Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit der Erklärung nicht erkannt, so besteht die Anzeige- und Berichtigungspflicht i.S.d. § 153 AO unberührt. In dem Fall sollte die Anzeige nach § 153 AO so abgefasst sein, dass sie gleichzeitig die Voraussetzungen einer wirksamen bußgeldbefreienden Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO erfüllt.

 

Rz. 816

[Autor/Stand] Die beiden Korrekturvorschriften unterscheiden sich also allein in subjektiver Hinsicht. Die Abgrenzung zwischen der steuerrechtlichen Pflicht des § 153 AO und des Strafaufhebungsgrundes des § 371 AO bereitet deshalb in der Praxis häufig erhebliche Schwierigkeiten....

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