Rz. 78

[Autor/Stand] Seinem steuerpolitischen Zweck entsprechend macht § 371 AO die Zusage der Straffreiheit von der Berichtigung der bisher unrichtigen oder unterlassenen Steuererklärung und der fristgemäßen Nachzahlung der verkürzten Steuern und Zinsen abhängig. Obwohl die rechtlichen Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 und 3 AO vermeintlich einfach gehalten sind, ist ihre Auslegung in der Praxis in vielfacher Hinsicht umstritten[2]. Die Gesetzesänderungen zum 1.1.2015 haben zwar einige Auslegungsschwierigkeiten beseitigt, führen jedoch in anderen Punkten zu neuen Unklarheiten[3]. Dies gilt insb. für die Berechnung des 10-Jahres-Zeitraums i.S.d. § 371 Abs. 1 Satz 2 AO (dazu Rz. 117 ff.).

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[2] Dazu Schwartz/Höpfner, PStR 2014, 170; Schwartz/Külz, PStR 2011, 249; s. auch bereits Bilsdorfer, wistra 1984, 93.
[3] Einen Überblick über die wichtigsten Praxisfragen zur neuen Selbstanzeige gibt Schwartz, PStR 2015, 37; s. auch Heuel/Beyer, AO-StB 2015, 129.

I. Berichtigungserklärung (§ 371 Abs. 1 AO)

1. Anzeigehandlung

 

Rz. 79

[Autor/Stand] Die Selbstanzeigehandlung besteht gem. § 371 Abs. 1 AO darin, dass

  • unrichtige Angaben berichtigt
  • oder unvollständige ergänzt
  • oder unterlassene Angaben nachgeholt werden.

Die Berichtigung der unrichtigen oder unterlassenen Angaben ist nicht nur im Steuerfestsetzungsverfahren, sondern auch im Beitreibungsverfahren möglich.[2]

 

Beispiel 2

In dem vorliegenden Fall hatte der Angeklagte zunächst im steuerlichen Festsetzungsverfahren unrichtige Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen gemacht und hierdurch bewirkt, dass die Einkommen- und Umsatzsteuer zu niedrig festgesetzt wurde. Entsprechend erfolgte auch eine Verurteilung. In dem die vorgenannte Einkommen- und Umsatzsteuerschuld betreffenden Beitreibungsverfahren, d.h. im Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren (§§ 218 ff., §§ 249 ff. AO) hat der Angeklagte bewusst unrichtige Angaben gemacht und sich als vermögenslos dargestellt, obwohl er tatsächlich über ein beträchtliches – wenn auch zur Verschleierung auf Dritte verlagertes – Vermögen verfügte. Die unrichtigen Angaben erfolgten durch zwei an das FA gerichtete Schreiben und in einer abgegebenen Selbstauskunft sowie durch Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung. Der BGH stellte insoweit klar, dass eine Steuerhinterziehung auch im Beitreibungsverfahren begangen werden kann.

"Im Beitreibungsverfahren sind dabei steuerlich erhebliche Tatsachen i.S.d. § 370 Abs. 1 AO auch Umstände, die für die Entscheidung des Finanzamts, ob und welche Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden sollen, von Bedeutung sind".

Zu den Anforderungen an die Berichtigungserklärung s. eingehend Rz. 144 ff.

 

Rz. 80

[Autor/Stand] Die Berichtigungserklärung bewirkt für den Selbstanzeigenden eine Anwartschaft auf Straffreiheit, sofern nicht bei Abgabe der Erklärung ein Ausschlussgrund nach § 371 Abs. 2 AO (Rz. 414 ff.) vorliegt. Die Anwartschaft ist auflösend bedingt durch die fristgemäße Nachentrichtung der verkürzten Steuern und Zinsen gem. § 371 Abs. 3 AO (Rz. 294 ff.).

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[2] BGH v. 21.8.2012 – 1 StR 26/12, ZWH 2013, 112 m. Anm. Kudlich = NStZ-RR 2012, 372 m.w.N.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021

2. Person des Anzeigeerstatters

Schrifttum:

Handel, Die Stellvertretung bei der Selbstanzeige, DStR 2018, 709; Höpfner/Schwartz, Strafbarkeitsrisiken für Steuerberater – Fallstricke in der steuerlichen Beratungspraxis, PStR 2014, 61; Mösbauer, Straffreiheit trotz Steuerhinterziehung, DStZ 1985, 325; Wengenroth, (Verdeckte) Stellvertretung bei der Selbstanzeige im Unternehmenskontext, PStR 2021, 14; Wollweber/Beckschäfer, Die verdeckte Selbstanzeige in der AG, AG 2010, 207.

a) Täter oder Teilnehmer

 

Rz. 81

[Autor/Stand] Den Kreis der Personen, die die in § 371 Abs. 1 AO geforderte Berichtigungserklärung wirksam abgeben können, begrenzt das Gesetz mit den Worten, "wer [...] berichtigt [...] bleibt insoweit straffrei". Das heißt mit anderen Worten: Die Selbstanzeigemöglichkeit besteht für denjenigen, der andernfalls – wegen der unter Rz. 60–63 aufgeführten Taten – bestraft werden würde. Das ist jeder Tatbeteiligte an einem selbstanzeigefähigen Delikt, also der Allein- oder Mittäter oder mittelbare Täter (vgl. § 25 StGB) sowie der Teilnehmer (Anstifter, Gehilfe, vgl. §§ 26, 27 StGB).[2]

Ohne Bedeutung ist, ob der Täter oder Teilnehmer selbst Steuerschuldner ist oder ob er nur gem. § 71 AO wegen seiner Tatbeteiligung für die verkürzte Steuer haftet[3]. Zu den Konsequenzen bzgl. der Nachzahlungspflicht gem. § 371 Abs. 3 AO s. eingehend Rz. 297 ff.

 

Rz. 82

[Autor/Stand] Aus der zitierten Formulierung des § 371 Abs. 1 AO und der Rechtsnatur der Selbstanzeige als persönlicher Strafaufhebungsgrund (s. Rz. 52 f.) ergibt sich zwingend, dass nur der Täter oder Teilnehmer Straffreiheit erlangt, der persönlich in der geforderten Weise Angaben berichtigt oder nachholt[5]. Erstattet z.B. der Anstifter Selbstanzeige, so kommt sie nur ihm selbst, nicht aber dem Täter, der davon nichts weiß, zugute. Dieser erleidet vielmehr dadurch den Nachteil, dass die Tat als entdeck...

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