Rz. 1006

[Autor/Stand] Die Steuerhinterziehung ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bedroht (§ 370 Abs. 1 AO). In besonders schweren Fällen gilt der erhöhte Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO, der eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht. Die zeitige Freiheitsstrafe beträgt im Fall der "einfachen" Steuerhinterziehung nach den allgemeinen Vorschriften mindestens einen Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) und höchstens fünf Jahre. Bei Steuerhinterziehungen im besonders schweren Fall ist die Mindesthöhe der Freiheitsstrafe auf sechs Monate und das Höchstmaß auf zehn Jahre erhöht. Bei einer in Tatmehrheit begangenen Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 Abs. 1 AO liegt die Höchstgrenze im Falle einer Freiheitsstrafe bei 15 Jahren (§ 54 Abs. 2 StGB); im Falle einer Geldstrafe bei 720 Tagessätzen (s. Rz. 1010). Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten soll nur ausgesprochen werden, wenn besondere Umstände in der Tat oder in der Person des Täters dies unerlässlich machen (§ 47 Abs. 1 StGB). Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung soll die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe weitgehend zurückgedrängt werden.[2] Eine kurze Freiheitsstrafe soll nur dann angeordnet werden, wenn sie unverzichtbar und in diesem Sinne ultima ratio ist und dies entsprechend in den Urteilsgründen dargestellt wird.[3] Finden sich hingegen Formulierungen wie "geboten", "angebracht", "sinnvoll" o.Ä., ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Anforderungen verkannt wurden.[4] Eine erlittene Untersuchungshaft wird grds. auf die Strafe angerechnet (§ 51 Abs. 1 Satz 1 StGB), so dass nach h.M. eine strafmildernde Berücksichtigung der erlittenen Untersuchungshaft regelmäßig nicht in Betracht kommt. Auch der erstmalige Vollzug der Untersuchungshaft ist grundsätzlich für die Strafzumessung nicht von Bedeutung, es sei denn es treten im Einzelfall besondere Umstände hinzu.[5] Derartige besondere Umstände hat das LG Bochum in einem Fall angenommen, weil die Untersuchungshaft acht Monate andauerte und eine "erkennbare" Belastung für den Angeklagten als Erstverbüßer bestand. In dieser strafmildernden Berücksichtigung der erlittenen Untersuchungshaft hat der BGH keinen Rechtsfehler gesehen.[6] Das Gericht kann jedoch anordnen, dass die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist (§ 51 Abs. 1 Satz 2 StGB). Zur Bemessung der Freiheitsstrafe vgl. § 39 StGB.

 

Rz. 1007

[Autor/Stand] Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 1 StGB bei Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr, unter besonderen Voraussetzungen – die bei Ersttätern einer Steuerhinterziehung i.d.R. gegeben sind – nach § 56 Abs. 2 StGB auch bei Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren gewährt werden. Dies gilt auch in Fällen des § 370 Abs. 3 AO. Voraussetzung für die Aussetzung zur Bewährung ist in beiden Fällen, dass sich der Verurteilte die Verurteilung als solche als Warnung hat dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Beide Fälle der Aussetzung zur Bewährung verlangen demnach eine günstige Sozialprognose. Als Milderungsgründe kommen bei einer Steuerstraftat insbesondere in Betracht, dass der Täter durch das Steuerstrafverfahren wirtschaftlich ruiniert ist, sein fortgeschrittenes Lebensalter, unterhaltsberechtigte Kinder oder auch Bemühungen, zukünftig seine steuerlichen Pflichten mit Hilfe eines Steuerberaters zu erfüllen.[8]

Bei Freiheitsstrafen unter sechs Monaten hat eine günstige Sozialprognose die Aussetzung zur Bewährung zwingend zur Folge, was sich aus der negativen Formulierung des § 56 Abs. 3 StGB ergibt. Nach st. Rspr. des BGH ist im Rahmen der Prüfung, ob eine Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 3 StGB zu versagen ist, insbesondere auch eine umfassende Würdigung von Tat und Täter vorzunehmen, die den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles gerecht wird. Daneben kann ein weiteres Argument sein, dass gegen die Vollstreckung der Strafe neben Strafmilderungsgründen auch eine lange Verfahrensdauer spricht[9]. Dabei ist maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für das Vorliegen einer Prognose i.S.d. § 56 Abs. 1 StGB derjenige der jeweils vorliegenden Entscheidung. Zwar dürfen länger zurückliegende Entscheidungen in die erforderliche Gesamtwürdigung eingestellt werden, aber lediglich mit ihrer eingeschränkten Bedeutung für die Prüfung im Urteilszeitpunkt, ob der Angeklagte jetzt – zum aktuellen Zeitpunkt – ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen werde.[10] Andernfalls besteht nach § 56 Abs. 3 StGB die Möglichkeit, die Aussetzung der Strafe zu versagen, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung dies gebietet. Nach Ansicht des BGH liegt dies nahe bei einer Verursachung beträchtlicher Umsatzsteuerausfälle durch ein komplexes sowie aufwendiges Hinterziehungssystem, welches auf die dauerhafte Verschleierung von Sachverhalten ausgelegt ist[11]. Im Rahmen der Prognoseentscheidun...

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