Leitsatz

Anträge, die bei einer Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit anzubringen sind, können auch bei einer Außenstelle derjenigen Agentur für Arbeit angebracht werden, bei der die Familienkasse eingerichtet ist.

 

Normenkette

§ 67, § 72 EStG, § 6, § 19 AO, § 5 Abs. 1 Nr. 11 FVG, § 120 Abs. 3 FGO

 

Sachverhalt

Der Kläger war bis Ende 2004 im öffentlichen Dienst beschäftigt und bezog währenddessen Kindergeld von einer Familienkasse des öffentlichen Dienstes. Nach dem Ende dieser Beschäftigung stellte er zunächst keinen weiteren Antrag auf Kindergeld.

Mit Schreiben vom 29.12.2010 beantragte der Kläger Kindergeld auch für die Vergangenheit. Das Schreiben war adressiert an die Agentur für Arbeit H, Außenstelle A und erhielt einen Eingangsstempel der Agentur für Arbeit A vom 29.12.2010 und einen Eingangsstempel der Agentur für Arbeit H vom 5.1.2011. Die Bundesagentur für Arbeit – Familienkasse H – lehnte den Antrag ab, soweit Kin­dergeld für das Jahr 2005 (Streitjahr) beantragt worden war.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Hessische FG (Urteil vom 21.11.2012, 12 K 1566/11) entschied, dass ein möglicher Kindergeldanspruch für 2005 wegen Zahlungsverjährung erloschen sei. Der Antrag des Klägers vom 29.12.2010 habe den Eintritt der Verjährung für 2005 nicht verhindern können, weil er zunächst bei der unzuständigen Dienststelle in A und erst am 5.1.2011 und damit nach Eintritt der Verjährung für 2005 am 31.12.2010 bei der zuständigen Stelle in H eingegangen sei.

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies zurück. Zahlungsverjährung ist entgegen der Ansicht des FG ausgeschlossen. Im zweiten Rechtsgang ist aber zu klären, ob nicht Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Wenn ein Aufhebungsbescheid der bis 2004 zuständigen Familienkasse des öffentlichen Dienstes nicht festgestellt werden kann, weil die betreffenden Akten nicht mehr vorhanden seien, ginge dies nach den Regeln der objektiven Beweislast zulasten der Familienkasse.

 

Hinweis

1. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen gem. § 47 AO u.a. durch Eintritt der Festsetzungsverjährung (§§ 169 bis 171 AO) und der Zahlungsverjährung (§§ 228 bis 232 AO). Dies gilt auch für das als Steuervergütung (§ 31 Satz 3 EStG) gewährte Kindergeld (§ 37 Abs. 1 AO).

2. Zahlungsverjährung tritt nach fünf Jahren ein (§ 228 Satz 2 AO). Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Festsetzung des Anspruchs wirksam bekannt gegeben worden ist (§ 229 Abs. 1 AO). Sie wird durch schriftliche Geltendmachung des Anspruchs unterbrochen.

3. Der BFH begründet umfangreich und mit Hinweisen auf die Behördenstruktur der Bundesagentur für Arbeit, warum ein Antrag, der bei einer Außenstelle der Arbeitsagentur angebracht wird, bei der die Familienkasse eingerichtet ist, fristwahrende Wirkung entfaltet. Auch wenn Kindergeldanträge nur in einer Hauptstelle bearbeitet werden, sind die Handlungen zentraler Serviceeinrichtungen der Haupt- und der Außenstelle wie z.B. Pfortendienst oder Poststelle auch der Familienkasse zuzurechnen, soweit sie in Kindergeldangelegenheiten tätig werden.

4. Wenn die zuständige Familienkasse – z.B. durch Eintritt oder Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst (§ 72 EStG) – wechselt, kann die bisherige Kindergeldfestsetzung aufgehoben und das Kindergeld von der zuständig gewordenen Familienkasse neu festgesetzt werden. Stattdessen kann die Kindergeldzahlung aber auch auf Grundlage der bisherigen Festsetzung der anderen Behörde fortgeführt werden. Das hat unterschiedliche Rechtsfolgen:

  • Die fünfjährige Zahlungsverjährung setzt die Fälligkeit des Anspruchs und damit eine fortwirkende Kindergeldfestsetzung voraus.
  • Falls die zuvor zuständige Familienkasse die Festsetzung aufhebt und die zuständig gewordene Familienkasse das Kindergeld (z.B. mangels Antrags) nicht (neu) festsetzt, wäre die vierjährige (!!) Festsetzungsverjährung zu prüfen.

5. Der Kläger hatte das FG-Urteil als "Berufungsurteil" und die Familienkasse als "Berufungsbeklagte" bezeichnet. Das stand der Zulässigkeit seiner Revision nicht entgegen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 25.9.2014 – III R 25/13

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