Eine Erwerbstätigkeit des volljährigen Kindes mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von insgesamt nicht mehr als 20 Stunden ist für den Anspruch auf Kindergeld unschädlich. Bei der Feststellung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist grundsätzlich die individuell vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zugrunde zu legen (nichtselbstständige Arbeit). Es sind nur Zeiträume ab dem Folgemonat nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung bzw. eines Erststudiums einzubeziehen.

Bei den übrigen infrage kommenden Erwerbstätigkeiten, z. B. der selbstständigen Arbeit, der gewerblichen Tätigkeit des Kindes, gibt es keine individuell vereinbarte Arbeitszeit. Die Verwaltung äußert sich nicht, wie in diesen Fällen die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit festzustellen ist. Nach meiner Auffassung ist daher im Zweifel eine schriftliche Erklärung des Kindes erforderlich, in der das Kind in nachvollziehbarer Weise den regelmäßigen wöchentlichen zeitlichen Umfang der Tätigkeit darlegt.

Maßgebend für die Beurteilung des zeitlichen Umfangs der wöchentlichen Tätigkeit ist dessen Regelmäßigkeit, d. h. der Durchschnitt der wöchentlichen Arbeitszeit.

Eine vorübergehende – höchstens 2 Monate dauernde – Ausweitung der Beschäftigung auf mehr als 20 Stunden ist unbeachtlich, wenn während des Zeitraums innerhalb des Kalenderjahres, in dem einer der 4 besonderen Berücksichtigungstatbestände (Berufsausbildung, Übergangszeit, Wartezeit oder Freiwilligendienste) vorliegt, die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden beträgt.[2] Der Zeitraum einer vorübergehenden Ausweitung des Umfangs der Beschäftigung ist taggenau zu berechnen.

 
Praxis-Beispiel

Arbeit in den Semesterferien

Eva (22 Jahre) macht nach dem Abitur eine Berufsausbildung als Tierarzthelferin und schließt diese erfolgreich mit einer Prüfung ab. Ab Oktober 2021 studiert sie. Laut Arbeitsvertrag ist sie ab 1.4.2023 als Verkäuferin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt. In den Semesterferien vereinbart sie in der Zeit vom 1.8. bis 30.9.2023 mit dem Arbeitgeber eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden. Zum 30.9. kündigt sie das Arbeitsverhältnis. Ab 1.11.2023 vereinbart sie beim selben Arbeitgeber eine Beschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden. Ist die Grenze von 20 wöchentlichen Regelarbeitsstunden überschritten?

Lösung:

Es ergeben sich folgende Arbeitszeiten pro voller Woche:

  • vom 1.4. bis 31.7. (= 17 Wochen und 2 Tage): 20 Stunden pro Woche
  • vom 1.8. bis 30.9. (= 8 Wochen und 4 Tage): 40 Stunden pro Woche (= Ausweitung der Beschäftigung)
  • vom 1.11. bis 31.12. (= 9 Wochen ): 15 Stunden pro Woche

Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit:

(17 Wochen × 20 Std.) + (8 Wo. × 40 Std.) + (9 Wo. × 15 Std.) : 52 Wochen = 15,3 Wochenstunden

Eva befindet sich aufgrund des Studiums während des gesamten Jahres 2023 in Berufsausbildung. Sie besitzt jedoch bereits eine abgeschlossene erstmalige Berufsausbildung, daher ist die Prüfung erforderlich, ob die Erwerbstätigkeit eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden überschreitet.

Die Ausweitung der Arbeitszeit von 20 auf 40 Wochenstunden liegt an nicht mehr als 2 Monaten vor und ist daher vorübergehend. Die wöchentliche durchschnittliche Arbeitszeit beträgt 15,3 Stunden. Daher ist die Erwerbstätigkeit unschädlich. Es besteht Anspruch auf Kindergeld von Januar bis Dezember 2023.

Variante:

Eva ist in den Semesterferien vom 16.7. bis 25.9.2023, also mehr als 2 Monate, mit 40 Wochenstunden beschäftigt.

Lösung:

Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Jahr 2023 beträgt nach wie vor nicht mehr als 20 Stunden. Die Ausweitung der Arbeitszeit erfolgte jedoch in mehr als 2 Monaten und ist damit nicht mehr vorübergehend.

Der Anspruch auf Kindergeld für den Monat August 2023 fällt daher weg.[3]

Führt eine vorübergehende, höchstens 2 Monate dauernde, Ausweitung der Tätigkeit auf mehr als 20 Wochenstunden dazu, dass die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit insgesamt mehr als 20 Wochenstunden beträgt, ist nur der Zeitraum der Ausweitung schädlich für den Anspruch auf Kindergeld. Für die übrige Zeit der Erwerbstätigkeit bleibt der Anspruch bestehen.

[1] DA A 20.3.1 DA-KG 2023.
[2] DA A 20.3.1 Abs. 2 DA-KG 2023.
[3]

Ausführungen zum Monatsprinzip s. Abschnitt 14.4.

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