Leitsatz

1. Es besteht die Pflicht, die abschnittsbezogene lineare (so genannte Normal-)AfA auch tatsächlich vorzunehmen.

2. Wegen des Prinzips der Gesamtgewinngleichheit ist auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die AfA im selben Umfang vorzunehmen wie beim Betriebsvermögensvergleich.

3. Bei einem bilanzierenden Steuerpflichtigen ist die verspätete Erfassung notwendigen Betriebsvermögens eine fehlerberichtigende Einbuchung, bei der sich der Bilanzansatz nach dem Wert richtet, mit dem das bisher zu Unrecht nicht bilanzierte Wirtschaftsgut bei von Anfang an richtiger Bilanzierung zu Buche stehen würde. Deshalb darf auch im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die versäumte AfA auf ein zunächst nicht als Betriebsvermögen erfasstes Wirtschaftsgut nicht nachgeholt werden.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 1 und 3, § 7 Abs. 1 S. 1, § 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 S. 2 EStG

 

Sachverhalt

Ein freiberuflich tätiger Erfinder hatte im Jahr 1985 eine Erfindung zum Patent angemeldet und das Patent 1987 gegen Lizenzgebühren einer GmbH überlassen, deren Gesellschafter er war. Die Lizenzeinnahmen wurden zunächst als Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit erklärt und besteuert. Im Jahr 1997 verkaufte der Erfinder das Patent und gab seine Erfindertätigkeit auf.

Im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung einigten sich die Beteiligten darauf, dass die Erfindertätigkeit erst seit dem Abschluss der Lizenzverträge (1987) mit Einkünfteerzielungsabsicht betrieben worden sei. Ferner einigte man sich auf den Einlagewert des Patents zu diesem Zeitpunkt und auf dessen Restnutzungsdauer.

Bei der Ermittlung des Veräußerungs-/Aufgabegewinns aus der freiberuflichen Tätigkeit berücksichtigte das FA einen Restbuchwert des Patents. Diesen ermittelte es ausgehend von dem unstrittigen Einlagewert abzüglich der rechnerisch auf die Jahre 1987 bis 1997 entfallenden Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf das Patent. Wegen Bestandskraft der Steuerfestsetzungen für die Vorjahre berücksichtigte das FA keine weiteren AfA.

Die Kläger beantragten erfolglos, den Aufgabegewinn um die rechnerisch auf die Jahre 1987 bis 1996 entfallenden und steuerlich nicht berücksichtigten Absetzungsbeträge zu mindern.

Das FG gab der Klage statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.2007, 11 K 679/05 E (Haufe-Index 1967034, EFG 2008, 598).

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Das Patent sei erst infolge der tatsächlichen Verständigung der Beteiligten ab 1997 als Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens erfasst worden. Wegen der Bestandskraft der Steuerfestsetzungen für die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1996 könne die abschnittsbezogene AfA nach § 7 Abs. 1 S. 1 EStG für jene Jahre nicht mehr vorgenommen werden.

 

Hinweis

1. Die Frage, ob Absetzungen für Abnutzung (AfA), mit denen Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines langlebigen Wirtschaftsguts auf dessen Nutzungsdauer verteilt werden, in einem späteren Jahr nachgeholt werden können, wenn sie in einem früheren Jahr fehlerhaft nicht abgezogen worden sind, bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Rechtssicherheit und materieller Richtigkeit.

2. Nach allgemeiner Meinung besteht eine Pflicht, die abschnittsbezogene Normal-AfA auch tatsächlich vorzunehmen. Geht man von allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen aus, so müsste die spätere Nachholung von AfA immer dann ausgeschlossen sein, wenn die Veranlagung für das Jahr, in dem der Abzug fehlerhaft unterblieben ist, bestandskräftig geworden ist.

3. Abweichend von dieser allgemeinen verfahrensrechtlichen Sichtweise ermöglicht indessen die Rechtsprechung von alters her aufgrund der Lehre vom Bilanzenzusammenhang die Bilanzberichtigung (Fehlerkorrektur) bei falscher Bewertung von Wirtschaftsgütern in verfahrensrechtlich noch offenen Wirtschaftsjahren, und zwar ungeachtet der für vergangene Jahre eingetretenen Bestandskraft von Steuerbescheiden.

4. Im Schrifttum wird dieser Rechtsprechung vorgeworfen, sie unterlaufe die Vorschriften über die Bestandskraft von Steuerbescheiden. Gleichwohl hat die Rechtsprechung im Grundsatz an der Lehre vom Bilanzenzusammenhang festgehalten.

5. Auf den ersten Blick sollte man meinen, die Lehre vom Bilanzenzusammenhang und die dadurch eröffneten Korrekturmöglichkeiten müssten ipso jure ausgeschlossen sein, wenn der Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird oder wenn es sich um Überschusseinkünfte handelt. Denn dort gibt es keine Bilanz. Dennoch wird die Nachholung von AfA auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG und bei den Überschusseinkünften für zulässig erachtet. Dies gebiete der Gleichbehandlungsgrundsatz.

6. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn es um die AfA auf Wirtschaftsgüter des notwendigen Betriebsvermögens geht, die in der Bilanz nicht aktiviert waren und die erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem der Anschaffung, Herstellung oder Einlage in das Betriebsvermögen erstmals in die Bilanz eingebucht werden. In diesem Fall der fehlerberichtigenden Einbuchung bestimmt sich de...

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