Leitsatz

1. Wildtierschäden als solche sind keineswegs unüblich und nicht mit ungewöhnlichen Schadensereignissen i.S. des § 33 EStG vergleichbar.

2. Mit einem Wildtierschaden in Zusammenhang stehende Aufwendungen zur Beseitigung konkreter, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender Gesundheitsgefahren erlauben deshalb keine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen.

 

Normenkette

§ 33 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, § 35a Abs. 3 und Abs. 5 Satz 1 EStG

 

Sachverhalt

Die Kläger bewohnen ein Einfamilienhaus, dessen Garten an ein Gewässer angrenzt. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2014) begehrten die Kläger die Berücksichtigung von Aufwendungen in Höhe von rund 4.000 EUR als außergewöhnliche ­Belastung. Die Aufwendungen sind den Klägern zur Beseitigung von Schäden, die ein Biber an Terrasse und Garten verursachte, entstanden. Zudem ließen sie von einer Fachfirma eine "Bibersperre" in Form eines mit Wackergeröll verfüllten Grabens anlegen, um ­weiteren "Biberschäden" entgegenzuwirken. Das FA erkannte diese Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen an, berücksichtigte die nachgewiesenen Lohnkosten aber als Handwerkerleistungen i.S.d. § 35a Abs. 3 EStG. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (FG Köln, Urteil vom 1.12.2017, 3 K 625/17, Haufe-Index 11550040, EFG 2018, 453).

 

Entscheidung

Die Revision der Kläger wies der BFH zurück.

 

Hinweis

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die ESt dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

2. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Vom Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (z.B. BFH, Urteil vom 22.10.2019, VI R 48/17, BFH/NV 2020, 235, m.w.N.).

3. Aufwendungen für die Beseitigung von durch Biber verursachten Schäden gehören hierzu nicht. Derartige Aufwendungen sind bereits dem Grunde nach nicht außergewöhnlich. Denn Wildtierschäden sind keineswegs unüblich. Wildtierarten, die über Jahrzehnte in der deutschen Kulturlandschaft ausgestorben oder stark zurückgedrängt waren, sind in der Bundesrepublik Deutschland – zum Teil erfolgreich gefördert – wieder heimisch geworden und breiten sich aus. Vielfältige Wildtierpopulationen haben sich auch in den Siedlungsräumen etabliert. Wildtiere können je nach Wildtierart zum Teil beträchtliche Schäden verursachen. Ebenso können Wildtierpopulationen – insbesondere in Siedlungsräumen – Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung entsprechender Wildschäden erfordern, wie z.B. die Errichtung von Barrieren und Zäunen, die Vergrämung von Wildtieren oder die Steuerung des Habitats.

4. Wildtierschäden und Maßnahmen zu ihrer Vermeidung sind daher auch nicht mit ungewöhnlichen Schadensereignissen i.S.d. § 33 EStG, etwa mit Schäden aufgrund von Brand, Hochwasser oder einer "privaten Katastrophe" (s. BFH, Urteil vom 6.5.1994, III R 27/92, BStBl II 1995, 104), vergleichbar.

5. Sie erlauben folglich grundsätzlich keine Ermäßigung der ESt nach § 33 EStG, selbst wenn sie zur Beseitigung konkreter, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender Gesundheitsgefahren geleistet werden (s. BFH, Urteil vom 20.1.2016, VI R 19/14, BFH/NV 2016, 909; BFH, Beschluss vom 28.3.2018, VI B 106/17, BFH/NV 2018, 716, m.w.N. betreffend ebenfalls nicht unübliche Baumängel).

Steuerbegünstigte Handwerkerleistung

Da eine Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen nach § 33 EStG folglich ausscheidet, hat das FA die nachgewiesenen Lohnkosten zutreffend als Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG angesetzt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 1.10.2020 – VI R 42/18

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