Leitsatz

Steuern dürfen nicht mehr festgesetzt werden, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Entsprechendes gilt für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO), z. B. von Vermietungseinkünften für eine → Bauherrengemeinschaft .

Die Festsetzungsfrist beträgt im allgemeinen für Zölle und Verbrauchsteuern 1 Jahr und für die übrigen Steuern, einschließlich der Einkommensteuer, 4 Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 AO; → Verjährung ). Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird gehemmt, wenn vorher mit einer Außenprüfung begonnen oder deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben wurde. Dasselbe gilt für denjenigen, der durch Anfechtung und Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung oder der Festlegung des Prüfungsbeginns bewirkt, daß die Prüfung nicht zu dem vorgesehenen Zeitpunkt beginnt.

Die Ablaufhemmung (§ 171 Abs. 4 AO) tritt jedoch grundsätzlich nur dann ein, wenn später tatsächlich eine Außenprüfung durchgeführt wird.

Dies ist auch der Fall, wenn die Außenprüfung aufgrund einer Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung und/oder der Festsetzung des Prüfungsbeginns verschoben wurde, das betreffende Rechtsbehelfsverfahren zwischenzeitlich abgeschlossen und das der Außenprüfung entgegenstehende Hindernis damit für das FA eindeutig erkennbar entfallen ist, dieses aber von sich aus keinen Versuch zur Durchführung einer (möglichen) Außenprüfung unternommen hat und ersichtlich nicht mehr unternehmen will.

Ausnahmsweise kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Festsetzungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Folgesteuer von Bedeutung ist, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Darauf muß jedoch im Feststellungsbescheid ausdrücklich und unmißverständlich hingewiesen werden (§ 181 Abs. 5 AO). Fehlt dieser Hinweis oder ist er unklar, ist der Bescheid fehlerhaft und schon deshalb aufzuheben.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 17.06.1998, IX R 65/95

Hinweise:

1. Die Steuerpflichtigen hatten sich im Streitjahr 1978 an einer sogenannten Ersterwerbergemeinschaft von Eigentumswohnungen beteiligt, die von einer KG als Treuhänder betreut wurde. Nachdem das FA am 27. 2. 1980 eine Außenprüfung unter anderem für das Streitjahr angeordnet hatte, wurde deren Vollziehung auf Antrag der KG ausgesetzt, die Prüfung später jedoch nicht mehr durchgeführt. Am 21. 10. 1983 forderte das FA die KG zur Abgabe von Feststellungserklärungen auf. Am 15. 10. 1985 – während eines Rechtsmittelverfahrens hinsichtlich der Steuererklärungspflicht der KG für die Ersterwerbergemeinschaft – erließ das FA einen Feststellungsbescheid über die Vermietungseinkünfte 1978 gegenüber den Steuerpflichtigen im Wege der → Schätzung ; in diesem Feststellungsbescheid war hinsichtlich der Festsetzungsfrist lediglich der Wortlaut des § 188 Abs. 5 AO wiedergegeben. Auf die nach erfolglosem Einspruch erhobene → Klage wurde der Feststellungsbescheid vom FG Münster aufgehoben. Die hiergegen vom FA eingelegte Revision wies der BFH als unbegründet zurück.

2. Der BFH stellte zunächst klar, daß die vierjährige Feststellungsfrist für das Streitjahr 1978 hier am 31. 12. 1982 geendet hatte. Die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung durch das FA vom 21. 10. 1983 war bereits verspätet, weil die – nach der Aussetzung der Vollziehung der Außenprüfung – vorläufig eingetretene Ablaufhemmung mangels späterer Durchführung rückwirkend entfallen war. Daß die Ablaufhemmung grundsätzlich die spätere Durchführung der Prüfung voraussetzt, entspricht ständiger Rechtsprechung und herrschender Meinung (a.A. allerdings Tipke/Kruse, AO/FGO, Komm., § 171 AO, Tz. 48 ff.).

3. Die Möglichkeit für das FA, die Einkommensbesteuerung der Beteiligten über den Hinweis im Feststellungsbescheid nach § 181 Abs.5 Satz 2 AO zu retten, schränkt der BFH durch die Anforderungen an den Inhalt des Hinweises erheblich ein, obwohl es für das Feststellungs-FA sehr schwierig sein kann zu ermitteln, für welche Steuerarten und -abschnitte sowie Beteiligte das Feststellungsverfahren tatsächlich noch bedeutsam ist (vgl. Klein/Brockmeyer, AO, 6. Aufl., § 171 Anm. 6 S.941).

Dem FA wurde in einem anderen BFH-Urteil, v. 18. 3. 1996, II R 95/96, BStBl 1998 II S. 426, auch der Erlaß eines Ergänzungsbescheids (§ 179 Abs. 3 AO) zur „Nachholung” oder Ergänzung eines fehlerhaften oder unklaren Hinweises untersagt.

Wie die Entscheidung zeigt, kann sich die hier – von der Treuhand-KG für die Erwerbergemeinschaft – eingeschlagene Verzögerungstaktik, schon gegen die vom FA angeordnete Außenprüfung vorzugehen, für die Steuerpflichtigen lohnen. Im vorliegenden Fall wurde das FA dadurch offenbar daran gehindert, den Steuerpflichtigen bereits bei der Einkommensteuerveranlagung gewährte Werbungskostenüberschüsse nachträglich wieder – ganz oder teilweise – rückgängig zu machen.

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