Leitsatz

1. Ein anderer Arbeitsplatz steht erst dann zur Verfügung, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz tatsächlich zugewiesen hat.

2. Ein Raum ist nicht zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet, wenn wegen Sanierungsbedarfs Gesundheitsgefahr besteht.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 5, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG

 

Sachverhalt

Pfarrer P machte für ein im Obergeschoss des Pfarrhauses gelegenes häusliches Arbeitszimmer 635 EUR als Werbungskosten geltend, obwohl es im Pfarrhaus ein allerdings als Abstellraum genutztes Amtszimmer gab. Im Erdgeschoss befanden sich auch noch das von den Sekretärinnen genutzte Pfarrbüro, ein Registraturraum, ein Archivraum und ein Konferenzraum. Der Arbeitgeber erklärte dazu, dass das Amtszimmer als dienstliches Arbeitszimmer zur Verfügung stehe. P machte allerdings geltend, dass dieses Amtszimmer wegen Baumängel nicht nutzbar gewesen sei. Das Amtszimmer sei nie renoviert und von Ps Amtsvorgängern auch nie als solches genutzt worden, da eine Gesundheitsgefahr vorgelegen habe. Die Klage war erfolglos (FG München, Urteil vom 24.11.2011, 11 K 1167/11, Haufe-Index 2944295, EFG 2012, 1047), weil – so das FG – P ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden hätte. Denn P hätte über die Nutzung der einzelnen Räume entscheiden und das Amtszimmer auch renovieren lassen können.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab die Sache an das FG zurück. Das wird nun zu prüfen haben, ob P tatsächlich – wie in den Praxis-Hinweisen erläutert – ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden hat.

 

Hinweis

Das Besprechungsurteil gehört in die Reihe der jüngsten Rechtsprechung zum häuslichen Arbeitszimmer (BFH, Urteile vom 26.2.2014, VI R 40/12, BFH/NV 2014, 1137, BFH/PR 2014, 253, "Telearbeitsplatz"; VI R 37/13, BFH/NV 2014, 1138, BFH/PR 2014, 254, "Pool-Arbeitsplatz"). Grundfrage ist wieder, ob ein vom Arbeitgeber überlassener Arbeitsplatz für die konkrete Verwendung zur Verfügung steht; hier: ob der arbeitgeberseitig zur Verfügung stehende Raum zumutbar ist. Nur wenn das nicht der Fall ist, können die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer zu Werbungskosten führen. Denn dann steht i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG "für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung".

1. Nachdem das Finanzgericht nicht festgestellt hatte, ob Ps Einwand zum gesundheitsgefährdenden Zustand des Amtszimmers zutrifft, konnte die entscheidungserhebliche Frage, ob das vom Arbeitgeber überlassene Amtszimmer in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzbar war, nicht beantwortet werden. Das ist eine typische "Tatfrage", die von den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz anhand der objektiven Umstände des konkreten Einzelfalls beantwortet werden muss. Es ist eine Tatsachenwürdigung, an die der BFH als Revisionsgericht grundsätzlich gebunden ist. Die zugrunde liegenden Tatsachen muss allerdings das Finanzgericht feststellen. Daran fehlte es hier.

2. Das Besprechungsurteil bringt in einem weiteren Punkt Rechtsklarheit. Denn der BFH folgt nicht der Auffassung, dass der Arbeitnehmer sich gleichsam selbst um sein Arbeitszimmer beim Arbeitgeber kümmern müsse. Dies war schon Thema im jüngsten Urteil zum Pool-Arbeitsplatz (VI R 37/13, BFH/NV 2014, 1138, BFH/PR 2014, 254), in dem das Finanzamt eingewandt hatte, der Arbeitnehmer hätte beantragen können und müssen, dass der Arbeitgeber ihm einen festen Arbeitsplatz zuweise. Dem Einwand des FA steht, so der BFH, das Direktionsrecht des Arbeitgebers entgegen. Der Arbeitgeber muss entsprechend verfügen. Das Gesetz fragt nicht nach hypothetischen Möglichkeiten, sondern nach den tatsächlichen Umständen. Uneingeschränkt gilt dies allerdings nur beim Arbeitnehmer, der letztlich durch den Arbeitgeber oder Dienstherrn fremdbestimmt ist. Beachten Sie: Bei selbstständig Tätigen ist – anders als bei Arbeitnehmern – entscheidend, ob sie sich einen Arbeitsplatz hätten einrichten können (BFH, Urteil vom 20.11.2003, IV R 30/03, BFH/NV 2004, 568, BFH/PR 2004, 177).

3. Im Streitfall kommt es also auf die tatsächlichen Gegebenheiten und auf die Beschaffenheit des Amtszimmers an. Dies wird das FG zu klären haben. Sollte sich dabei ergeben, dass P nach seiner Wahl auch über andere Räume hätte verfügen können, hätte ihm auch ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden, sofern die Räume entsprechend beschaffen waren.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.2.2014 – VI R 11/12

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