Leitsatz

Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der 6. EG-RL mit der RL 77/799/EWG des Rats vom 19.12.1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern in der durch die RL 92/12/EWG des Rats vom 25.2.1992 geänderten Fassung und der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 des Rats vom 27.1.1992 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung ist dahin auszulegen, dass die Finanzbehörden des Mitgliedstaats des Beginns des Versands oder der Beförderung von Gegenständen nicht verpflichtet sind, die Behörden des vom Lieferanten angegebenen Bestimmungsmitgliedstaats um Auskunft zu ersuchen.

 

Normenkette

Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der 6. EG-RL (vgl. § 6a UStG), RL 77/799/EWG-Verordnung (EWG) Nr. 218/92

 

Sachverhalt

Twoh, eine Gesellschaft mit Sitz in den Niederlanden, verkaufte "ab Werk" (vgl. Incoterms 2000) Computerteile an einen in Italien ansässigen Unternehmer und stellte die Ware in einem Lager zur Verfügung. Eine Erklärung über die Verbringung in den anderen Mitgliedstaat stellte der Abnehmer nicht aus. Twoh behandelte die Lieferungen als steuerfrei. Die Finanzverwaltung versagte die Steuerbefreiung mangels Erklärung. Twoh forderte in Einspruchsverfahren die Finanzverwaltung erfolglos auf, gem. der Amtshilfe-RL und der Verordnung über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden bei der zuständigen italienischen Behörde Auskünfte einzuholen, die den innergemeinschaftlichen Charakter der Lieferungen belegen könnten.

 

Entscheidung

Die Entscheidung des EuGH ergibt sich aus dem Leitsatz, die maßgeblichen Grundsätze aus den Praxis-Hinweisen. Der EuGH betont, dass selbst dann, wenn die Finanzverwaltung des Liefermitgliedstaats vom Bestimmungsmitgliedstaat die Auskunft erhalten hat, dass seinen Finanzbehörden vom Käufer eine Erklärung über den innergemeinschaftlichen Erwerb vorgelegt worden sei, diese Erklärung keinen entscheidenden Beweis dafür darstellt, dass die Gegenstände den Liefermitgliedstaat tatsächlich verlassen haben. Bei Fehlen einer der geforderten Unterlagen kann die Finanzverwaltung davon ausgehen, dass die Voraussetzungen der Befreiung nicht vorliegen. Allein das Vorliegen der geforderten Unterlagen führt nicht zwingend zur Befreiung.

 

Hinweis

1. Nach der "Amtshilfe-Richtlinie" (RL 77/799/EWG) kann die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats die zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaats um die Erteilung der in Art. 1 Abs. 1 bezeichneten Auskünfte im Einzelfall ersuchen. Die zuständige Behörde des um Auskunft ersuchten Staats braucht dem Ersuchen nicht zu entsprechen, wenn es scheint, dass die zuständige Behörde des ersuchenden Staats ihre eigenen üblichen Auskunftsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat, von denen sie nach Lage des Falls ohne Gefährdung des Ermittlungszwecks hätte Gebrauch machen können. Die VO (EWG) Nr. 218/92 präzisiert dies insbesondere hinsichtlich der Bestätigung der UStId-Nr. 

2. Mit jedem innergemeinschaftlichen Erwerb muss eine – befreite – innergemeinschaftliche Lieferung einhergehen. Insoweit ist erforderlich, dass das Recht, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist und dass der Lieferer nachgewiesen hat, dass dieser Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist und infolge dieser Versendung oder Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat. Die 6. EG-RL regelt die Voraussetzungen für den Nachweis nicht, sondern überlässt dies den Mitgliedstaaten, die allerdings die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen müssen (bei Abholgeschäften vgl. § 17a Abs. 2 Nrn. 3 und 4 UStDV).

3. Hat ein Mitgliedstaat die Voraussetzungen für den Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung dadurch festgelegt, dass er eine Liste von Unterlagen aufgestellt hat, die den zuständigen Behörden als Nachweis dafür vorzulegen sind, ist eine Frage, ob er trotz Vorliegens dieser Nachweise später die Steuer nachfordern kann unter Hinweis auf einen Betrug, den der Lieferer nicht kannte oder nicht kennen konnte (hierzu EuGH-Urteil vom 27.9.2007, Rs. C-409/04 – Teleos – BFH-PR 2007, 467).

4. Davon zu unterscheiden ist die Frage, welche Folgerungen aus dem Fehlen einer der vom Mitgliedstaat als Nachweis geforderter Unterlagen zu ziehen sind – hier der Erklärung des Abnehmers über das Verbringen des Gegenstands in einen anderen Mitgliedstaat. Zweifelhaft war dem vorlegenden Gericht, ob die für den Lieferer zuständigen Finanzbehörden – aufgrund Art. 28c Teil A Buchst. a der 6. EG-RL in Verbindung mit der Amtshilfe-Richtlinie und der Verordnung Nr. 218/92 – die Behörden des – vom Lieferanten angegebenen – Bestimmungsmitgliedstaats um Auskünfte ersuchen müssen, ob es sich tatsächlich um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt. Das hat der EuGH verneint, denn

  • diese Rechtsakte verleihen den Einzelnen – mit Ausnahme des Rechts auf Bestätigung der Gültigkeit der UStD...

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