Frage:

In HHG 9/2018 wurde darauf hingewiesen, dass gleichgelagerte Einspruchsverfahren (Parallelverfahren) jeweils eigenständige Verfahren darstellten und dass ein Prozessbevollmächtigter eine Geschäftsgebühr für jedes einzelne Einspruchsverfahren fordern könne bzw. sollte. Allerdings folge aus der Eigenständigkeit der jeweiligen Einspruchsverfahren nicht, dass bei besonders umfangreicher oder schwieriger Tätigkeit in Bezug auf jedes einzelne ­Einspruchsverfahren angesichts der erzielten ­Synergieeffekte eine über den Durchschnittswert hinausgehende Geschäftsgebühr beansprucht werden könne.

Es ist die Frage aufgetaucht, ob die v. g. Ausführungen auch gelten, wenn zwischen den Verfahren ein innerer Zusammenhang besteht und dies möglicherweise zur Folge hat, dass nur eine Geschäftsgebühr gefordert werden kann.

Antwort:

Da auf die Vergütung des Steuerberaters für Verfahren vor den Verwaltungsbehörden und im Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit die Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) sinngemäß anzuwenden sind (§§ 40, 45 StBVV), ist auf die Bestimmungen des RVG zurückzugreifen.

Allgemeine gesetzliche Regelungen

Nach § 7 Abs. 1 RVG erhält ein Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, die Gebühr nur einmal. Gem. § 15 Abs. 1 RVG entgelten die Gebühren, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. Nach § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Nach § 15 Abs. 5 Satz 1 RVG erhält ein Rechtsanwalt, der nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt wird, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre.

 
Hinweis

Einheitlicher Gebührenanspruch bei einer Angelegenheit

Mithin besteht nur ein einheitlicher Gebührenanspruch, wenn es sich um eine Angelegenheit i. S. d. genannten Vorschriften handelt. Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist.

Die Sichtweise des BGH

Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen i. d. R. dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne setzt nicht voraus, dass der Rechtsanwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann vielmehr auch dann gesprochen werden, wenn der Rechtsanwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Mandanten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen oder mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird.

Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen. Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Rechtsanwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst oder in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammengehören.

Der Annahme derselben Angelegenheit steht nicht entgegen, dass der Rechtsanwalt z. B. in einem Schadensersatzprozess mehrere Geschädigte vertreten soll. Ein einheitlicher Auftrag kann nämlich auch dann vorliegen, wenn der Rechtsanwalt von mehreren Mandanten beauftragt wird, wobei ggf. durch Auslegung ermittelt werden muss, ob der Rechtsanwalt für die verschiedenen Auftraggeber gemeinsam oder für jeden von ihnen gesondert tätig werden soll (vgl. zu Allem: BGH, Urteil v. 8.5.2014, IX ZR 219/13, NJW 2014, S. 2126).

Die Auffassung des BSG

Für das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren geht das BSG auch dann von derselben Angelegenheit aus, wenn mehrere Auftraggeber einer Bedarfsgemeinschaft gesonderte Vollmachten erteilen, es aber inhaltlich um einen einheitlichen Lebenssachverhalt geht. Dies sei z. B. der Fall, wenn die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeins...

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