Frage: Das Niedersächsische FG vertritt die Auffassung, dass die Rechtsprechung des II. Senats des BFH zum einheitlichen Erwerbsgegenstand gegen das GrEStG, gegen die Einheit der Steuerrechtsordnung, gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, gegen das Verfahrensgrundrecht des Bürgers auf seinen gesetzlichen Richter und gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt. Es hat daher die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits trotz des vom Finanzamt behaupteten verspäteten Vorbringens des Klägers (§ 137 FGO) in vollem Umfang der Behörde auferlegt (vgl. Beschluss v. 22.3.2018, 7 K 150/17, EFG 2018 S. 1291). Können Sie diesen Beschluss und das "rechtliche Umfeld" näher erläutern?

Antwort: Außerprozessuale Ereignisse können einem Rechtsschutzbegehren die Grundlage entziehen, sodass eine Klage z. B. unzulässig oder unbegründet wird. Ein Kläger müsste wegen dieser nachträglichen Änderung der Sach- und/oder Rechtslage entweder eine Klageabweisung hinnehmen oder die Klage zurücknehmen. Kostenrechtlich hätte dies zur Folge, dass ihm die Kosten des Verfahrens entweder nach § 135 Abs. 1 FGO (als unterliegendem Beteiligten) oder nach § 136 Abs. 2 FGO (Kostentragungspflicht bei Rücknahme) aufzuerlegen wären. Dieses häufig ungerechte bzw. unbillige Verfahrensende sollen die Regelungen des § 138 FGO verhindern (vgl. Brandis in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 138 FGO Tz. 1).

Erledigung der Hauptsache (§ 138 Abs. 1 FGO)

Ein Rechtsstreit ist i. S. v. § 138 Abs. 1 FGO in der Hauptsache erledigt, wenn nach Rechtshängigkeit ein Ereignis eingetreten ist, durch das das gesamte im Klageantrag zum Ausdruck kommende, in dem Verfahren streitige Klagebegehren objektiv gegenstandslos geworden ist (BFH, Urteil v. 20.10.2004, II R 74/00, BStBl 2005 II S. 99, m. w. N.). Merkmal eines derartigen Ereignisses ist, dass der Kläger sein Rechtsschutzziel außerhalb des Prozesses – ganz oder teilweise – erreicht hat oder es überhaupt nicht mehr erreichen kann und es deshalb fallen lässt (ein ausführlicher Beispielskatalog mit Rechtsprechungsnachweisen findet sich bei Brandis in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 138 FGO Tz. 10).

Braucht das Gericht infolge einer Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse aufgrund eines außerprozessualen Ereignisses und den dadurch ausgelösten Wegfall des Verfahrensgegenstands nicht mehr über diesen zu entscheiden, kommt es zur materiellen Hauptsacheerledigung. Hat die Erledigung der Hauptsache ihren Grund darin, dass die Beteiligten übereinstimmend zum Ausdruck bringen, auf eine Fortführung des Verfahrens zu verzichten, tritt formelle Hauptsacheerledigung ein. Entscheidend ist damit nicht das erledigende Ereignis, sondern das Vorliegen übereinstimmender Erledigungserklärungen.

Im Rahmen des § 138 FGO führen die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten zur Erledigung des Rechtsstreits, und zwar ungeachtet dessen, ob und wann sich die Hauptsache materiell tatsächlich erledigt hat. Das Gericht geht dann ohne weitere Nachprüfung davon aus, dass die Rechtshängigkeit der Hauptsache beendet ist (Brandis in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 138 FGO Tz. 30; Schwarz in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 138 FGO Rz. 31).

Das Gericht hat in der Folge nur noch durch Beschluss über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Dabei ist der bisherige Sach- und Rechtsstand zu berücksichtigen. Es ist zu prüfen, wie der Rechtsstreit mutmaßlich ausgegangen wäre (vgl. etwa BFH, Beschluss v. 25.1.2006, IV R 14/04, BStBl 2006 II S. 418). Maßgebender Zeitpunkt dafür ist der Zeitpunkt nach Erledigung der Hauptsache, d. h. der Zeitpunkt der letzten Erledigungserklärung der Beteiligten (BFH, Beschluss v. 31.8.1976, VII R 20/74, BStBl 1976 II S. 686).

Erledigungsfälle des § 138 Abs. 2 FGO

Soweit ein Rechtsstreit dadurch erledigt wird, dass dem Antrag des Steuerpflichtigen durch Rücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts stattgegeben oder dass im Fall der Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 FGO innerhalb der gesetzten Frist dem außergerichtlichen Rechtsbehelf stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt erlassen wird, sind die Kosten nach § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO der Behörde (dem Finanzamt) aufzuerlegen.

Beruht die Rücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts allerdings auf einem anderen Grund als dem, dass die Behörde eine mit der Anfechtungsklage geltend gemachte Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkennt und dem drohenden Unterliegen im Rechtsstreit zuvorkommt, ist § 138 Abs. 1 FGO anzuwenden.

Das Risiko der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts trägt die Behörde mithin nur bei unveränderter Sach- bzw. Rechtslage (BFH, Beschluss v. 10.12.2009, VII R 40/07, BFH/NV 2010 S. 909).

Allerdings können dem obsiegenden Kläger die Verfahrenskosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn die Entscheidung auf Tatsachen beruht, die er früher hätte geltend machen oder beweisen können und sollen (sog. "verspätetes Vorbringen", § 138 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 137 Satz 1 FGO). Hauptanwendung...

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