Bei objektiver Klagehäufung (z. B. mehrere Streitjahre bei der Einkommensteuer), sehr geringen Streitwerten für jedes einzelne Klagebegehren (Jahr) und gleichzeitig noch gegebener Auswirkung auf nicht verfahrensgegenständliche Folgejahre ist der Rechenweg zur Ermittlung des Streitwerts (die Reihenfolge der Berechnungsschritte) nicht unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen. Je nach Reihenfolge ergibt sich ein unterschiedlich hoher Streitwert.

Gesetzliche Vorgaben

Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG). Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das 3-fache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf (§ 52 Abs. 2 Satz 2 GKG).

In Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit darf der Streitwert nicht unter 1.500 EUR liegen (§ 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG).

 
Hinweis

Abweichende Regelungen bei Kindergeldangelegenheiten

In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit gelten abweichende Regelungen (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Nr. 1 GKG).

Sichtweise des BFH

In dem vom BFH entschiedenen Fall blieb die Einkommensteuer für das Streitjahr unverändert bei 0 EUR (vgl. BFH, Urteil v. 10.3.2016, IV R 41/13, BStBl 2016 II, S. 984). Daher war bei Anwendung des § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG der Mindeststreitwert von 1.500 EUR (§ 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG) anzusetzen. Nach Auffassung des BFH kommt die – im Streitfall unstreitig vorzunehmende – Streitwerterhöhung nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG auch zur Anwendung, wenn die Berechnung des Streitwerts nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG zum Ansatz des Mindeststreitwerts führt, d. h. als Höchstbetrag ist dann der 3-fache Mindeststreitwert anzusetzen (vgl. BFH, Beschluss v. 24.7.2018, VI S 12/17, BFH/NV 2018, S. 1090).

FG Berlin-Brandenburg rechnet anders

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt war Verfahrensgegenstand die Einkommensteuer der Jahre 2012 bis 2016. Die steuerlichen Auswirkungen ergaben sich wie folgt:

 
Streitjahr Auswirkung in EUR
2012 27
2013 108
2014 464
2015 56
2016 33
Summe 688
Durchschnitt (gerundet) 138

Zwischen den Beteiligten bestand (zu Recht) Einigkeit darüber, dass die auf die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer abzielende Klage offensichtlich absehbare Auswirkungen auf noch zu erlassende, auf künftige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte hat. Streit ­bestand lediglich hinsichtlich der Berechnungsmethode des Streitwerts.

Ausgehend von einem Streitwert von 688 EUR für die Streitjahre beantragte die Klägerin den Streitwert auf 4.500 EUR (das 3-fache des Mindeststreitwerts) anzusetzen. Das Finanzamt beantrage indes, den Streitwert mit 1.500 EUR festzusetzen.

Das FG Berlin-Brandenburg (vgl. Beschluss v. 24.9.2019, 3 K 3150/18, EFG 2020, S. 221) hat sich dem Antrag des Finanzamts angeschlossen und den Streitwert auf 1.500 EUR festgesetzt.

Das FG führt aus, dass es 2 denkbare Berechnungsmethoden gäbe, die sich allerdings durch die Reihenfolge der Rechenschritte unterschieden:

Das FG ist der Auffassung, dass die Berechnungsmethode a) die zutreffende ist. Es begründet seine Auffassung zunächst mit der Struktur des Gesetzes.

Die Regelungen des § 52 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 GKG seien beide Teile des Abs. 3, hingegen stehe Abs. 4 separat, folge also danach. Schon daraus ergebe sich, dass die Anwendung des Mindeststreitwerts zuletzt erfolge.

Seien mehrere Jahre in Streit, ergebe sich zudem aus rechnerischen Gründen, dass die Auswirkungen auf Folgejahre zunehmend bedeutungslos würden, je mehr Jahre in Streit seien. Dies erscheine auch gerechtfertigt, denn die Behandlung der einen Rechtsfrage sei bereits durch die Berücksichtigung der mehreren Streitjahre im Streitwert angemessen ­abgebildet.

Dieser Wirkungsmechanismus würde durchbrochen, falls man die von der Klägerin favorisierte Reihenfolge anwenden würde. Es würde dann de...

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