Leitsatz

Urenkel haben auch bei Vorversterberben beider vorangegangener Generationen keinen Anspruch auf einen höheren als den in § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG vorgesehenen Freibetrag.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist die Stief-Urenkelin der am 28.6.2020 verstorbenen Erblasserin. Die Erblasserin war mit dem Urgroßvater der Klägerin verheiratet. Dieser hatte eine Tochter aus einer früheren Ehe, welche bereits 2016 verstarb. Die Tochter wiederum hatte einen Sohn, welcher 2018 verstarb. Der verstorbene Sohn war der Vater der Klägerin. Die Klägerin wurde aufgrund eines Testaments der Erblasserin zu einem Drittel Miterbin. Sie wurde zur Erbschaftsteuer veranlagt. Bei der Berechnung der Erbschaftsteuer berücksichtigte das Finanzamt einen Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG in Höhe von 100.000 EUR. Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin einen Freibetrag von 200.000 EUR nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG geltend, da sowohl ihr Vater als auch ihre Großmutter bereits verstorben seien. Der Freibetrag für Kinder verstorbener Kinder gelte auch für Urenkel. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass das Erbschaftsteuergesetz zwischen den Begriffen Kindern und Abkömmlingen unterscheide. Kinder seien jeweils nur die nächste Generation, Abkömmlinge dagegen seien sämtliche nachfolgenden Generationen. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Berücksichtigung eines Freibetrages nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG von 200.000 EUR.

 

Entscheidung

Das FG hat entschieden, dass das Finanzamt zu Recht einen Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG in Höhe von 100.000 EUR berücksichtigt hat. Nach Wortlaut und Systematik des Gesetzes meine der Begriff "Kinder" in § 16 Abs. 1 ErbStG nicht Kindeskinder oder weitere Abkömmlinge. Der Gesetzgeber habe in § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ausdrücklich geregelt, dass übrigen Personen der Steuerklasse I ein Freibetrag in Höhe von 100.000 EUR zusteht. Mit übrigen Personen der Steuerklasse I seien die Personen gemeint, die nicht unter § 16 Abs. 1 Nr. 1-3 ErbStG fallen, mithin nicht Ehegatten, Kinder bzw. Kinder verstorbener Kinder oder Kindeskinder (Enkel). Urenkel fallen nicht unter § 16 Abs. 1 Nr. 1-3 ErbStG. Sie gehören aber gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG zur Steuerklasse I und unterfallen daher § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Dies habe der Gesetzgeber auch genauso beabsichtigt, denn in der Gesetzesbegründung des Erbschaftsteuerreformgesetzes habe er ausdrücklich ausgeführt, dass zu den übrigen Personen der Steuerklasse I im Wesentlichen auch die Urenkel gehören und ihnen ein Freibetrag in Höhe von 100.000 EUR zustehe.

 

Hinweis

Das FG hat die Revision zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe und der Fortbildung des Rechts diene (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO und § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Die Frage, ob Urenkeln ein höherer als der in § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ausgewiesene Freibetrag zustehe, wenn Eltern und Großeltern zum Zeitpunkt des Erbanfalls bereits verstorben sind, sei bisher nicht abschließend geklärt. Da die Klägerin jedoch keine Revision eingelegt hat, ist das Urteil rechtskräftig geworden.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Urteil v. 28.02.2022, 3 K 210/21

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