Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung eines Kindes als Pflegekind bei vollstationärer Unterbringung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Eine Berücksichtigung als Pflegekind setzt voraus, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt mit dem Pflegekind auf Dauer in einer familienähnlichen Beziehung, wie sie sonst zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern besteht, in einem gemeinsamen Haushalt zu leben; dabei ist es unschädlich, wenn die Dauer der Haushaltsaufnahme aus Gründen verkürzt wird, die nicht im Einflussbereich der Pflegeeltern liegen.
  2. Ein gemeinsamer Haushalt mit einem behinderten Kind das vollstationär untergebracht ist, setzt voraus, dass zumindest zunächst eine Haushaltsaufnahme bestanden hat.
 

Normenkette

EStG §§ 62, 32 Abs. 1 Nr. 2; DAFamEStG 63.2.2.2. Abs. 1 S. 4

 

Streitjahr(e)

2006

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 15.05.2009; Aktenzeichen III B 235/08)

BFH (Beschluss vom 15.05.2009; Aktenzeichen III B 235/08)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger für seinen Bruder X einen Anspruch auf Kindergeld hat.

Der Kläger beantragte am 06.12.2006 bei der beklagten Familienkasse Kindergeld für seinen behinderten Bruder X, der am 13.03.1958 geboren wurde. Dieser sei als Pflegekind einzustufen. X war zu diesem Zeitpunkt bereits ganztägig zur psychiatrischen Betreuung und Pflege in einer Wohnstätte des Kreisverbands „A” untergebracht worden. Auf die Bescheinigung der Wohnstätte vom 30.12.2006 wird Bezug genommen. Der Kläger war am 04.03.2003 vom Vormundschaftsgericht zum Betreuer seines Bruders bestellt worden. X ist von Geburt an (psychisch) zu 100% schwerbehindert und bedarf ständiger Begleitung.

Die Eltern der Brüder sind verstorben (Todestag des Vaters: X X 2003; Todestag der Mutter: X X 2006). X lebte zeitlebens im Haus der Eltern und wurde dort gepflegt und betreut. Die Mutter bezog bis zu ihrem Tod für X Kindergeld.

Bei der Antragstellung trug der Kläger vor, nach dem Tode der Mutter habe die Pflege und Betreuung des Bruders X neu organisiert werden müssen. Dieser sei schließlich am 18.11.2006 in einer Wohnstätte vollstationär aufgenommen worden. Gleichwohl sei eine weitere familiäre Einbindung und Betreuung unverzichtbar. Der Kläger sei der einzige Familienangehörige, der sich um X kümmern könne. Hier fielen neben zeitlichem Aufwand auch erhebliche Kosten für die Freizeit- und Besuchsaktivitäten an. Allein die Entfernung zwischen der Wohnung des Klägers und der Wohnstätte betrage 100 km. Dem Kläger sei deshalb vom 30.11.2006 an Kindergeld zu gewähren.

Aber auch für die Zeit vom 1.8.2006 bis zum 30.11.2006 habe der Kläger Anspruch auf Kindergeld, da X direkt nach dem Tod der Mutter in keinem fremden Haushalt aufgenommen gewesen sei und die gesamte Versorgung, persönliche Betreuung, Sicherstellung des Lebensunterhalts sowie sämtliche Aktivitäten zur Herbeiführung der neuen Lebenssituation vom Kläger getragen worden sei. Auf den Schriftsatz vom 02.12.2006 wird verwiesen.

Die Familienkasse lehnte den Antrag des Klägers auf Kindergeld mit Bescheid vom 19.01.2007 ab, da X wegen unterbliebener Aufnahme in den Haushalt des Klägers nicht als Pflegekind berücksichtigt werden könne. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Die Familienkasse wies den Einspruch (Eingang am 26.01.2007) mit Entscheidung vom 12.02.2007 als unbegründet zurück.

Mit der nunmehr erhobenen Klage ist der Kläger der Auffassung, die Familienkasse sei verpflichtet, ihm Kindergeld zu gewähren. Die Ablehnung seines Antrags auf Bewilligung sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Auch ein Geschwisterkind könne als Pflegekind anerkannt werden, insbesondere für den Fall, dass die Eltern verstorben seien und das Pflegekind wegen einer Behinderung pflegebedürftig sei. Für diesen Fall werde die Aufnahme in den Haushalt auch nicht durch eine vollstationäre Unterbringung in einem Heim beendet. X sei nämlich entgegen der Auffassung der Familienkasse im Haushalt des Klägers aufgenommen gewesen. Hierfür reiche es aus, dass X nach dem Tod seiner Mutter bis zum 18.11.2006 in deren Wohnung weiter gewohnt habe. Denn der Kläger habe in dieser Zeit seinen eigenen Haushalt ebenfalls in diese Wohnung verlegt, weil die ganztägige Betreuung von X nicht anders zu realisieren gewesen sei. X sei hier vom Kläger abhängig gewesen, weil sich der weitere Bruder Y geweigert habe, sich um X zu kümmern. Vielmehr habe der Bruder Y versucht, X aus der vertrauten Wohnung zu drängen, was nur mit Hilfe des Vormundschaftsgerichts habe verhindert werden können. Nur durch den Einsatz des Klägers sei es möglich gewesen, für X die gewohnte Wohnung bis zum Umzug in die Wohnstätte „A.” zu erhalten. So habe sich der Kläger mehrfach werktags und an jedem Wochenende bei seinem Bruder X aufgehalten. Es sei dort gemeinsam gekocht, gewaschen und eingekauft worden. X habe ein lebenslanges Wohnrecht in der Wohnung der Eltern besessen. Erst als die Spannungen mit dem Bruder Y unerträglich geworden seien, habe sich der Kläger um eine Heimunterbringung bemüht. So sei auch ...

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