rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Psychotherapeutische Behandlung als außergewöhnliche Belastung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Aufwendungen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit werden typisierend dann als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 S. 1 b EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach Bedarf, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt sind und vorgenommen werden, also medizinisch indiziert sind.
  2. Bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist - dazu gehören psychotherapeutische Behandlungen - bedürfen nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 a - f EStDV des Nachweises der Zwangsläufigkeit durch ein vor Beginn der Heilmaßnahmen oder dem Erwerb des medizinischen Heilmittels ausgestellten amtsärztlichen Gutachtens oder einer vorherigen ärztlichen Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenkasse.
  3. Eine Bescheinigung eines Allgemeinmediziners ist nicht ausreichend.
  4. Eine Bescheinigung, die im Präsenz abgefasst ist, beinhaltet ihrem objektiven Inhalt nach lediglich eine aktuelle gegenwärtige ärztliche Einschätzung.
  5. Sowohl die in § 33 Abs. 4 EStG normierte Verordnungsermächtigung als auch der auf ihrer Grundlage ergangene § 64 Abs. 1 EStDV begegnen keinen rechtsstaatlichen Bedenken.
 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1, 4, § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 1b

 

Streitjahr(e)

2017

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob Aufwendungen für medizinische Heilhypnose, welche durch eine Heilpraktikerin / Hypnosetherapeutin durchgeführt wurde, als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) abziehbar sind.

Die Klägerin wurde im Streitjahr 2017 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung machte sie insbesondere Aufwendungen für sonstige außergewöhnliche Belastungen i.H.v. insgesamt 6.736 € geltend, wobei der Beklagte die mit Beihilfebescheid vom 04.08.2017 nachgewiesenen Aufwendungen von 627 € abzüglich der Erstattungen i.H.v. 235 € anerkannte. Die Berücksichtigung von weiteren Aufwendungen für Krankengymnastik i.H.v. 200 € und für die oben genannte Heilpraktikerbehandlung i.H.v. 5.270 € lehnte der Beklagte ab; die Heilpraktikerbehandlung könne als psychotherapeutische Behandlung gemäß § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) wegen des Fehlens eines vor Beginn der Behandlung ausgestellten Nachweises nicht berücksichtigt werden. Diesbezüglich hatte die Klägerin geltend gemacht, dass sie die Aufwendungen für die Heilpraktikerbehandlung mangels Übernahme durch die Krankenkasse privat habe tragen müssen; die Beihilfe übernehme psychotherapeutische Behandlungskosten nur, wenn diese von Ärzten oder psychologischen Psychotherapeuten durchgeführt würden.

Gegen den Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 30.10.2018 legte die Klägerin mit Schreiben vom 20.11.2018 wegen der Nichtberücksichtigung der oben genannten Heilpraktikeraufwendungen für psychotherapeutische Hypnosen i.H.v. 5.270 € unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des Dr. med. Y (Arzt für Allgemeinmedizin / Psychotherapie) vom 20.11.2018 Einspruch ein. Nach dieser Bescheinigung ist bei der Klägerin ”eine Hypnosetherapie aus gesundheitlichen Gründen (F40.0, F45.4, F34.1) ärztlicherseits notwendig und indiziert“. Weiter machte die Klägerin geltend, dass es nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) in den Verfahren VI R 16/09 und VI R 17/09 ausreichend sei, dass ein ärztliches Attest nachträglich vom Hausarzt ausgestellt und eingereicht werde. Ferner legte sie verschiedene Rechnungen der behandelnden Heilpraktikerin / Hypnosetherapeutin über insgesamt 31 Therapiesitzungen ”med. Heilhypnose“ (Gebührenziffer - GebüH Ziffer - 19.8) zu je 120 Minuten und zu je 170 € aus dem Jahre 2017 sowie die die einzelnen Zahlungen ausweisenden Kontoauszüge mit dem Hinweis ”Heilpraktiker ohne Beihilfe“ vor.

Den insoweit streitigen Betrag von 5.270 € erkannte der Beklagte auch im Einspruchsverfahren nicht an und wies den Einspruch mit am 19.11.2019 zur Post gegebenen Einspruchsentscheidung vom 18.11.2019 als unbegründet zurück. Die Kosten für die Heilpraktikerbehandlung seien nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG und nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStDV zu berücksichtigen. Für den Nachweis der Zwangsläufigkeit einer psychotherapeutischen Behandlung reiche eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nicht aus. Vielmehr sei ein vertrauensärztliches Gutachten oder ein Attest eines öffentlich-rechtlichen Trägers zum Nachweis erforderlich, wobei der zu erbringende Nachweis vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestellt sein müsse. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der aktuellen BFH-Rechtsprechung.

Hiergegen richtet sich...

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