vorläufig nicht rechtskräftig

Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung eines ablehnenden Kindergeldbescheids wegen Verletzung der Ermittlungspflicht

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat die Kindergeldkasse nicht ermittelt, ob in Polen lebende Kinder eines in Deutschland arbeitenden polnischen Staatsangehörigen die Voraussetzungen des § 32 EStG erfüllen, ist die Behörde ihrer Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung nicht nachgekommen, sodass das Gericht berechtigt ist die Verwaltungsentscheidung nach § 100 Abs. 3 FGO aufzuheben.

 

Normenkette

FGO § 100 Abs. 3

 

Streitjahr(e)

2006

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 04.08.2011; Aktenzeichen III R 55/08)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von Kindergeld für seine zwei minderjährigen Kinder in der vollen gesetzlichen Höhe.

Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Er ist verheiratet und hat zwei am 04.04.1986 und 28.06.1990 geborene Kinder. Die Ehefrau des Klägers und die Kinder leben in Polen.

Mit Bescheid der Familienkasse vom 11.10.2006 wurde der Kindergeldantrag des Klägers vom 05.01.2006 abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine Entscheidung wegen des Fehlens der zur Entscheidung notwenigen Unterlagen nicht möglich sei.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 07.11.2006 Einspruch ein, welcher mit Einspruchsentscheidung der Beklagten vom 25.01.2007 als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger in Polen als Selbständiger gelte und dort als Landwirt sozialversicherungspflichtig seit 1991 versichert sei. Aus diesen Gründen unterläge der Kläger nicht dem deutschen Sozialrecht.

Hiergegen erhob der Kläger mit am 06.02. 2007 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten Klage. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger zwar über seine Ehefrau in Polen bei der Sozialversicherung der Landwirtschaft (KRUS) sozialversichert sei. Der Anspruch auf Kindergeld sei jedoch ganz allein davon abhängig, ob der Kläger in Deutschland uneingeschränkt einkommensteuerpflichtig sei und nicht davon, ob er in Polen oder aber in Deutschland Sozialversicherungsbeiträge zahle. Darüber hinaus habe der Kläger in Polen keinen Anspruch auf Kindergeld, weil seine Einkünfte in Deutschland die polnischen Einkommensgrenzen übersteigen würden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11.10.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.01.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Kindergeld für seine Kinder W. und M. ab Januar 2006 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

Die Klage abzuweisen.

Sie ist im Wesentlichen der Ansicht, dass bereits am Wohnsitz des Klägers in Deutschland Zweifel bestehen könnten, da dessen Wohnadresse mit der des Firmensitzes identisch sei. Des Weiteren sei das deutsche Kindergeldrecht für den Kläger nicht anwendbar, weil dieser im Inland selbständig tätig, aber hier nicht für den Fall des Alters pflichtversichert sei. Darüber hinaus verweise die Versicherung in Polen diesen ausschließlich auf das polnische Recht.

Mit Beschluss des Senats vom 30.10.2007 ist der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte verwiesen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet; der Bescheid der Beklagten vom 11.10.2006 sowie die Einspruchsentscheidung vom 25.01.2007 waren gemäß § 100 Abs. 3 FGO aufzuheben. Nach der genannten Vorschrift kann das Finanzgericht, sofern es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist (vgl. BFH, Urteil vom 17.1.1996,

VI R 62/95, BFH/NV 1996, 527).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Entscheidung, ob dem Kläger für die Kinder W. und M. ein Kindergeldanspruch ab Januar 2006 zusteht oder nicht, hängt unter anderem davon ab, ob die in Polen lebenden Kinder die Voraussetzungen des § 32 EStG erfüllen. Hierzu bedarf es hinsichtlich des am 04.04.1986 geborenen Kindes W. weiterer Sachaufklärung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a und Satz 2 EStG, mithin der Feststellungen in deutscher Sprache (§ 184 GVG), ob es im streitbefangenen Zeitraum für einen Beruf ausgebildet wird und das Einkommen des Kindes den sogenannten Grundfreibetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht übersteigt. Des Weiteren ist von der Beklagten – aufgrund der Einkommensabhängigkeit des polnischen Kindergeldes unter Berücksichtigung der konkreten u. a. auch in Deutschland erzielten Einkünfte des Klägers – aufzuklären, ob ein Kindergel...

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