Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwertungsverbot anlässlich einer rechtwidrigen Durchsuchung erlangter Unterlagen

 

Leitsatz (redaktionell)

Anlässlich einer rechtwidrigen Durchsuchung bei einer Bank als Drittem (§ 103 StPO) gefundene Unterlagen können im Besteuerungsverfahren verwertet werden, wenn die Unterlagen auch in rechtmäßiger Weise zu erlangen gewesen wären und der Schutzzweck der verletzten Norm unter Berücksichtigung des Gebots der steuerlichen Belastungsgleichheit kein Verwertungsverbot gebietet.

 

Normenkette

StPO §§ 103, 98; AO §§ 30a, 208

 

Streitjahr(e)

1989, 1990, 1991, 1992, 1993, 1994, 1995, 1996, 1997

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 27.03.2007; Aktenzeichen VIII B 152/05)

 

Tatbestand

Der Kläger, von Beruf Diplom-Ingenieur, erklärte in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1989 bis 1997 (Erklärungseingang 24.05.1990 (1989), 04.03.1991 (1990), 11.03.1992 (1991), 06.12.1993 (1992), 06.03.1994 (1993), 23.10.1995 (1994), 09.08.1996 (1995), 20.10.1997 (1996), 07.12.1998 (1997) folgende Einnahmen aus Kapitalvermögen:

1989

264,-- DM

1990

372,-- DM

1991

854,-- DM

1992

867,-- DM

Für die Jahre 1993 bis 1997 erklärte der Kläger im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen, dass die Einnahmen aus Kapitalvermögen nicht mehr als 6.100,-- DM betrügen.

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für 1989 bis 1997 entsprechend den Angaben in den Steuererklärungen, zuletzt für das Jahr 1997 mit Bescheid vom 28.12.1998, erklärungsgemäß fest. Die Einkommensteuerbescheide wurden sämtliche bestandskräftig. Vermögensteuererklärungen auf die Hauptveranlagungsstichtage reichte der Kläger nicht ein.

Auf Antrag der Bußgeld- und Strafsachenstelle beim Finanzamt erging am 10.08.1998 durch das Amtsgericht ..., Az:..., in dem Ermittlungsverfahren gegen namentlich nicht individuell identifizierte und namentlich unbekannte Kunden der Bank A wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommen-, Körperschaft-, Umsatz- und Gewerbesteuer sowie Solidaritätszuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer in nicht rechtsverjährter Zeit, zumindest jedoch ab dem Veranlagungszeitraum 1991, durch unterlassene bzw. unzutreffende steuerliche Erklärung von Erträgen aus den in das Ausland übertragenen Vermögenswerten gemäß §§ 103, 105 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO), die Anordnung der Durchsuchung aller dem Geschäftszweck der vorgenannten Genossenschaftsbank dienenden Räumlichkeiten sowie der Räume von Zweigstellen und Filialen.

Der amtsgerichtliche Beschluss führt in seinen Gründen folgendes aus:

„Die namentlich noch nicht bekannten Kunden der vorgenannten Bank sind verdächtig, in noch nicht rechtsverjährter Zeit, zumindest für die Jahre 1991 bis 1997, gegenüber ihrem zuständigen Finanzamt ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht oder nur unvollständig erklärt zu haben, wodurch Einkommen-, Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag in jeweils noch festzustellender Höhe verkürzt wurde.

Im Rahmen der steuerstrafrechtlichen Ermittlungen des Finanzamts für Steuerstrafsachen - Steuerfahndungsstelle - (Steuerfahndungsstelle X), welche den Zeitraum 01. Juli 1992 bis 30. Juni 1993 umfassten, konnten bezüglich der oben angeführten Bank eine Anzahl von Belegen über Einzahlungen bzw. Überweisungen, insbesondere auf Korrespondenzkonten der mit der Bank B verbundenen Luxemburger und Schweizer Gesellschaften sichergestellt werden.

Ausgangspunkt für die Durchsuchungsmaßnahme der Steuerfahndungsstelle X war die allgemein bekannte Tatsache, dass ab Beginn der Diskussion über die Einführung des Zinsabschlagsteuergesetzes (Anfang bis Mitte 1992) und nach der Einführung des Zinsabschlagsteuergesetzes (zum 01.01.1993) verstärkt ein Abfluss von Kapitalanlagen aus dem Inland ins Ausland feststellbar war.

Nach den kriminalistischen Erfahrungen der Steuerfahndungsstelle X lag der Grund für die Abwanderung des Kapitals ins Ausland u.a. darin begründet, dass Steuerpflichtige, welche aufgrund der Rechtslage bis zum 31.12.1992 (und der darauf fußenden mangelnden Kontrollmöglichkeiten von Kapitalzuflüssen durch die Finanzbehörden) nicht mit einer Besteuerung des Kapitalstammes (im Wege der Vermögensteuer) und der Versteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen (über die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer) rechnen mussten, sich ab dem 01.01.1993 einer geänderten Rechtslage gegenüber sahen.

Soweit Kunden der vorbezeichneten genossenschaftlichen Primärbank in dem Zeitraum kurz vor und nach Einführung des Zinsabschlagsteuergesetzes Auslandsanlagen tätigten, lag daher nach kriminalistischer Erfahrung die Vermutung nahe, dass es diesen Anlegern - zumindest in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen - nicht allein darum ging, durch Verlagerung von Vermögenswerten ins Ausland das Einbehalten der Zinsabschlagsteuer - quasi als Steuervorauszahlung auf die zu erwartende Einkommen- oder Körperschaftsteuern - zu umgehen, sondern es in erster Linie darum ging, einen Weg zu eröffnen, den Bundesdeutschen Finanzbehörden den ins Ausland verbrachten Kapitalstamm sowie die Erträgnisse...

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