Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerberaterprüfung 1997

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.07.1999; Aktenzeichen VII R 111/98)

 

Tenor

Der negative Prüfungsbescheid wird aufgehoben.

Die beklagte Behörde wird verpflichtet, den Kläger nochmals zur schriftlichen Prüfung im Fach Ertragsteuer zuzulassen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die beklagte Behörde.

Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Nach erfolglosen Versuchen 1995 und 1996 nahm der Kläger 1997 erneut an der Steuerberaterprüfung teil. In den schriftlichen Arbeiten erzielte er jeweils die Note 5,5. Daraufhin teilte ihm das beklagte Ministerium mit Bescheid vom 12. Januar 1998 mit, er habe die Prüfung nicht bestanden. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Der Kläger rügt die Fehlerhaftigkeit des Prüfungsverfahrens. Es sei unstreitig, daß einem Teil der Prüfungsteilnehmer die Aufsichtsarbeit aus dem Gebiete der „Ertragsteuer” bekannt gewesen sei. Hierin liege eine Verletzung der Chancengleichheit der anderen Prüfungsteilnehmer, die zur Fehlerhaftigkeit des Prüfungsverfahren führe.

Zu diesem Problemkreis hat der Senat folgendes festgestellt:

1997 wurden die schriftlichen Prüfungsaufgaben vom Land Sachsen vorgeschlagen. Als Ertragsteuerklausur hielt ein Bediensteter des Landes Sachsen eine vom Steuerrechtsinstitut Knoll entwickelte und wiederholt zu Übungszwecken ausgegebene Klausur für geeignet. Diese wurde schließlich von dem für die Auswahl der Klausuren zuständigen Ausschuß für die Steuerberaterprüfung 1997 in Unkenntnis der Tatsache ausgewählt, daß es sich um eine vom Steuerinstitut Knoll entwickelte und verwendete Aufgabe handelte

Das Steuerrechtsinstitut Knoll GmbH in München führt Vorbereitungskurse für die Steuerberaterprüfung durch. Hierzu gehören Fernlehrgänge und zwar ein Lehrgang „Fernunterricht” und ein Klausurenfernkurs. Am Klausurenfernkurs, der von Mitte März bis Ende September durchgeführt wird, nehmen jährlich ungefähr 3000 Prüfungsbewerber teil. Teil des Klausurenkurses ist ein zweiwöchiger Examenskurs, den das Institut jährlich im August bzw. September in Berlin, Düsseldorf, Stuttgart und München durchführt. Hieran nehmen etwa 1000 Prüfungskandidaten teil. Wieviel dieser Teilnehmer aus Hessen kommen, kann das Institut Knoll nicht feststellen. Bei diesen Examenskursen ist die später als amtliche Prüfungsklausur verwendete Ertragsteuerklausur zur Ausgabe gelangt. Diese Klausur war neben den Teilnehmern des Examenskurses darüber hinaus auch einer nennenswerten Zahl weiterer Prüfungsteilnehmer bekannt, weil die im Examenskurs gestellten Aufgaben mit Lösungshinweisen auch im Klausurenfernkurs angeboten wurden. Das Institut Knoll kann nicht exakt angeben, wieviel Teilnehmer am Klausurenkurs in Hessen ansässig sind. Das Institut hat jedoch von 184 in Hessen wohnhaften Teilnehmern die Mitteilung erhalten, sie wünschten nach Ablegung des schriftlichen Teils der Prüfung im Oktober 1997 an dem Lehrgang zur Vorbereitung auf die mündliche Prüfung teilzunehmen.

Nach Auskunft des beklagten Ministeriums haben in Hessen 588 Teilnehmer die schriftlichen Arbeiten für die Steuerberaterprüfung 1997 angefertigt. Die Durchschnittsnote der Ertragsteuerklausur betrug 1997 4,05. Damit ist das Durchschnittsergebnis 1997 besser ausgefallen als in den beiden vorangegangenen Jahren.

Der Kläger beantragt,

den negativen Prüfungsbescheid aufzuheben und die beklagte Behörde zu verpflichten, ihn nochmals zur schriftlichen Prüfung im Fach Ertragsteuer zuzulassen.

Die beklagte Behörde beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich darauf, daß das Prüfungsverfahren des Klägers keinen Verfahrensfehler enthalte. Da er die Ertragsteuerklausur offenbar nicht gekannt habe, habe er unter regelrechten Bedingungen an der Steuerberaterprüfung teilgenommen. Die Bewertung der Klausur orientiere sich an einem objektiven Maßstab, so daß ein eventuell besseres Durchschnittsergebnis sich nicht zu Lasten des Klägers ausgewirkt haben könne. Auch wenn infolge des Mißgriffs bei der Auswahl der Ertragsteuerklausur ungeeignete Mitprüflinge die Prüfung bestanden haben sollten, seien hierdurch jedenfalls keine eigenen Rechte des Klägers verletzt. Im übrigen hätten sowohl das Finanzgericht Baden-Württemberg als auch das Finanzgericht München erkannt, daß der Mißgriff bei der Auswahl der Ertragsteuerklausur die Ordnungsmäßigkeit des Prüfungsverfahrens nicht beeinträchtigt habe (Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juni 1998 – 4 K 29/98 – und Finanzgericht München, Urteil vom 3. Juni 1998 – 4 K 626/98 –).

Dem Senat haben die Akten des beklagten Ministeriums vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der negative Prüfungsbescheid ist fehlerhaft, weil das Prüfungsverfahren den Anspruch des Klägers auf Wahrung der Chancen...

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