Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertreterrecht als immaterielles Wirtschaftsgut

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Mit der Übernahme eines eingeführten und regelmäßig bearbeiteten Vertreterbezirks erlangt der Handelsvertreter einen greifbaren wirtschaftlichen Vorteil in Form einer rechtlich verfestigten wirtschaftlichen Chance, Provisionseinnahmen zu erzielen, der als immaterielles Wirtschaftsgut „ Vertreterrecht „ zu aktivieren ist..
  2. Der vertraglichen Verzicht auf die Auszahlung eines potentiellen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB die bei einem Handelsvertreter als Entgelt für die Gewährung eines eingeführten Vertreterbezirk anzusehen.
  3. Da das Entstehen eines Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB von der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses abhängig ist, entstehen erst zu diesem Zeitpunkt zu aktivierende Anschaffungskosten für das Wirtschaftsgut „ Vertreterrecht „.
 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 1 S. 6; HGB §§ 89b, 84 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.08.2007; Aktenzeichen X R 2/04)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob ein immaterielles Wirtschaftsgut „Vertreterrecht” zu aktivieren ist und auf welchen Zeitraum Abschreibungen darauf vorzunehmen sind.

Die Kläger wurden für das Streitjahr 1998 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erzielte u. a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer Anzeigenvertretung; ihren Gewinn ermittelte sie durch Bilanzierung. Im Rahmen des mit der Einkommensteuererklärung vorgelegten Jahresabschlusses 1998 machte sie eine Abschreibung auf immaterielle Vermögensgegenstände von xxxx DM geltend. Im Anlagespiegel hatte sie immaterielle Rechte mit xxxxxxx DM ausgewiesen. Auf Nachfrage des Beklagten führte sie zur Erklärung aus:

Im August 1997 wurde der Handelsvertretervertrag zwischen der Klägerin und der x-Zeitung aufgehoben; die Klägerin erhielt einen Ausgleichsbetrag nach § 89 b HGB. Mit Datum 5.9.1997 schloss die Klägerin einen Handelsvertretervertrag über Anzeigenvertretung einschließlich Vermittlung von Beilagen mit der Zeitungsanzeigengesellschaft GmbH (ABB). Nach § 2 Nr. 1. c) des Vertrages erstreckte sich die Vertretung auf den in einer Anlage 2 näher beschriebenen Kundenkreis sowie entsprechend gekennzeichnete Verlagskunden. § 7 Nr. 4 des Vertrages regelte, dass ABB der Klägerin einen mit xxxxx DM bewerteten Kundenstamm als zinsloses Darlehen übergab. Dieses Darlehen sollte bei Beendigung des Vertrages mit einer gegebenenfalls anfallenden Ausgleichszahlung verrechnet werden. Soweit dieser Ausgleichsbetrag unter dem Darlehensbetrag lag, verzichtete ABB auf den Ausgleich der Differenz. Gleichzeitig reichte die Klägerin den Vertrag in Kopie zu den Veranlagungsakten. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 68 ff. Einkommensteuerakten Bezug genommen.

Der Beklagte kam zu dem Ergebnis, dass ein zu aktivierendes immaterielles Wirtschaftsgut nicht vorliege, und erließ den Einkommensteuerbescheid 1998, ohne Abschreibungen auf ein Vertreterrecht zu berücksichtigen; er erhöhte den Gewinn aus der Anzeigenvertretung entsprechend.

Das anschließende Einspruchsverfahren war insoweit erfolgreich, als der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung dem Einspruch teilweise abhalf: Er ging nunmehr von einem entgeltlich erworbenen, zu aktivierenden immateriellen Wirtschaftsgut „Vertreterrecht” aus, das auf 8 Jahre abzuschreiben sei.

Mit ihrer dagegen erhobenen Klage begehrten die Kläger weiterhin, von einem dreijährigen Abschreibungszeitraum auszugehen. Die Kundenliste vom 10.7.1997 gebe den Kundenstamm wieder, der der Klägerin mit Vertrag vom 5.9.1997 übergeben worden sei. Ausweislich der Liste für 2000 seien von den Genannten nur noch 4 Kunden übrig geblieben, die im Jahr 2000 Anzeigen aufgegeben hätten. Mehr als 95 % des Vertreterrechts hätten sich demnach verflüchtigt. Dies beruhe darauf, dass viele kleine und mittlere Kunden in den Zeitungen nicht mehr inserieren würden und ABB ständig die Handelsvertretergebiete verändert habe. Der Beklagte akzeptierte die Begründung nicht und ging auch nicht auf einen Einigungsvorschlag der Kläger (fünfjähriger Abschreibungszeitraum) ein.

Stattdessen teilte der Beklagte mit, dass die zuständige Großbetriebsprüfungsstelle bei ABB eine Außenprüfung durchgeführt habe und aufgrund weiterer Sachverhaltsfeststellungen die bisherige rechtliche Beurteilung nicht mehr gelte: Der wirtschaftliche Gehalt der Regelung in § 7 Nr. 4 des Handelsvertretervertrages sei ein anderer als der schriftlich niedergelegte. Die Regelung solle tatsächlich lediglich den Wert des Kundenstamms festhalten und so festlegen, dass den Handelsvertretern bei Beendigung des Vertragsverhältnisses ein Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB nur zustehe, soweit der vertraglich fixierte Wert überschritten werde. Dadurch werde von Anfang an der Anspruch nach § 89 b HGB ausgehebelt. ABB habe deshalb auch keine Rechnungen gestellt und bei sich keine bilanziellen Konsequenzen gezogen. Dies habe ABB gegenüber der Klägerin durch den Widerruf einer Bestätigung vom 27.2....

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