Leitsatz

Gegen den Mittäter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung kann ein Haftungsbescheid nach § 71 AO ergehen, wenn wegen Aufteilung der Steuerschuld nach §§ 268, 278 AO gegen diesen nicht als Steuerschuldner vollstreckt werden kann.

 

Normenkette

§ 44 Abs. 1, § 45 Abs. 2 Satz 2, § 71, § 191, § 268 ff. AO

 

Sachverhalt

Der Kläger wurde mit seiner Ehefrau zusammen zur ESt veranlagt. Die Ehefrau unterhielt einen Gaststättenbetrieb; der Kläger war dort als Angestellter tätig.

Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung erließ das FA wegen dort festgestellter Steuerhinterziehungen u.a. geänderte Einkommensteuerbescheide, die zu erheblichen Steuernachforderungen führten.

Auf Antrag des Klägers ordnete das FA die Nachforderungsbeträge in einem Aufteilungsbescheid nach §§ 268 ff. AO ausschließlich der Ehefrau zu. Gleichzeitig nahm das FA den Kläger für die der Ehefrau zugeteilten Nachforderungsbeträge als Haftungsschuldner in Anspruch.

Zur Begründung wies es darauf hin, dass der Kläger als Angestellter seiner Ehefrau zu deren Steuerhinterziehung Beihilfe geleistet habe.

Klage (vgl. Hessisches FG, Urteil vom 12.10.2004, 7 K 965/04, EFG 2005, 920) und Revision des Klägers, mit denen er die Aufhebung des Haftungsbescheids erstrebte, blieben erfolglos.

 

Entscheidung

Zutreffend habe das FG entschieden, dass der Kläger nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden könne, weil er kraft Gesetzes (§ 71 AO) für den gem. dem Aufteilungsbescheid auf seine Ehefrau entfallenden Anteil an der ESt hafte.

Die Ehefrau habe die betreffenden Steuern gem. § 370 Abs. 1 AO hinterzogen. Zu deren Steuerhinterziehung habe der Kläger Beihilfe geleistet und damit i.S.v. § 71 AO an deren Tat teilgenommen.

Dass der Kläger ungeachtet der Aufteilung der Steuerschuld auch weiterhin (Gesamt-)Schuldner der Nachforderungsbeträge geblieben sei, hindere seine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner nicht, weil er aus seiner bloßen Stellung als Gesamtschuldner nach Erlass des Aufteilungsbescheids nicht mehr Zahlungsverpflichteter gewesen sei.

 

Hinweis

Nach § 268 AO können Personen, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden und deshalb Gesamtschuldner sind, beantragen, dass die Vollstreckung wegen dieser Steuern jeweils auf den Betrag beschränkt wird, der sich nach Maßgabe der §§ 269 bis 278 AO bei einer Aufteilung der Steuern ergibt. Ein Gesamtschuldner bleibt – formal – auch insoweit Steuerschuldner, als der aufgeteilte Steuerbetrag auf andere Gesamtschuldner entfällt (vgl. BFH, Beschluss vom 17.5.2001, X B 69/00, BFH/NV 2001, 1521). Dennoch bewirkt die Aufteilung nach §§ 268 ff. AO nach ständiger Rechtsprechung des BFH, dass für die Verwirklichung des Anspruchs aus der gemeinsamen Steuerfestsetzung die Gesamtschuld im Ergebnis in Teilschulden aufgespalten wird (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 18.12.2001, VII R 56/99, BFH-PR 2002, 194).

Haftung im steuerrechtlichen Sinn bedeutet, dass jemand für die Erfüllung einer fremden Schuld einzustehen hat. Ein Steuerschuldner kann deshalb für dieselbe Schuld grundsätzlich nicht gleichzeitig Haftender sein (vgl. BFH, Urteil vom 15.4.1987, VII R 160/83, BStBl II 1988, 167). Ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme eines Steuerschuldners als Haftungsschuldner besteht aber ausnahmsweise dann, wenn er ungeachtet seiner Eigenschaft als Steuer(gesamt-)schuldner aus dieser Stellung heraus nicht zur Zahlung der Steuerschuld verpflichtet ist. Dies trifft im Streitfall wegen der durch den Aufteilungsbescheid nach §§ 268 ff. AO entfalteten Wirkung für den Kläger zu.

Als weitere Anwendungsfälle in diesem Sinn kommen insbesondere in Betracht die Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH als Haftungsschuldner für die von der GmbH nicht abgeführte LSt betreffend den eigenen Arbeitslohn des Geschäftsführers (vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 8.5.2001, VII B 252/00, BFH/NV 2001, 1222; BFH, Urteil vom 15.4.1987, VII R 160/83, BStBl II 1988, 167) und die Inanspruchnahme des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH als Haftungsschuldner für die von der GmbH nicht abgeführte Kapitalertragsteuer, welche auf die eigenen Kapitaleinkünfte des Gesellschafter-Geschäftsführers entfällt (vgl. BFH, Urteil vom 26.2.2003, I R 30/02, BFH/NV 2003, 1301).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 7.3.2006, X R 8/05

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