Zusammenfassung

 
Überblick

Das materielle Haftungsrecht ist in der AO (§§ 69 ff. AO), in anderen Steuergesetzen und auch in zivilrechtlichen Gesetzen geregelt. Im Folgenden werden ausschließlich die materiellen Haftungsbestimmungen behandelt, die sich aus zivilrechtlichen Gesetzen ergeben. Diese materiellen Bestimmungen des Haftungsrechts sind zwingend zu prüfen, bevor geprüft wird, wie die Finanzverwaltung ihren Anspruch durchsetzt. Diese Fragen im Zusammenhang mit der Durchsetzung des Haftungsanspruchs  sind Gegenstand des formellen Haftungsrechts.

1 Haftung des Erwerbers eines Handelsunternehmens

1.1 Voraussetzungen der Haftung

Der Haftungstatbestand des § 25 HGB steht selbstständig neben der Haftung nach § 75 AO, der die Haftung des Betriebsübernehmers normiert. Bei demselben Vorgang können deshalb beide Tatbestände erfüllt sein.[1] Der Erwerber eines Handelsgeschäfts haftet für alle im Betrieb begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers, wenn das Geschäft unter der bisherigen Firma fortgeführt wird. Das kann durch Übereignung, aber auch durch Überlassung aufgrund von Erbteilung, Vermächtnis, Pacht oder Nießbrauch erfolgen.[2] Kein Erwerb ist die Vermietung einzelner Gegenstände aus dem Vermögen der Schuldnerfirma. Eine Haftung nach § 25 HGB kommt also nur in Betracht bei Fortführung der Firma.[3]

Zentrale Bedeutung hat damit der Begriff der Firma. Firma ist nach § 17 Abs. 1 HGB der Name des Kaufmanns, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. Kleingewerbetreibende sind keine Kaufleute, haben allenfalls eine Geschäftsbezeichnung (§ 1 Abs. 2 HGB). Auch bei der Übernahme einer Bezeichnung eines Etablissements besteht keine Haftung nach § 25 HGB.[4]

Wird die Firma nicht fortgeführt, kommt grundsätzlich eine Haftung nicht in Betracht (vgl. § 25 Abs. 2 HGB).[5] Strittig ist, ob eine kurzfristige Stilllegung schädlich ist.[6] Auf die Zustimmung des Veräußerers zur Fortführung der Firma kommt es nicht an. Entscheidend ist allein, dass der Erwerber die Firma tatsächlich fortführt. Dabei genügt es, wenn der prägende Teil der alten in der neuen Firma beibehalten wird, sodass im Rechtsverkehr die neue Firma noch mit der alten Firma identifiziert wird.[7] Unerheblich sind Nachfolgezusätze oder geringfügige Änderungen der Firma.[8]

[1] Thiessen, in Münchner Kommentar zum HGB (MüKo-HGB), 5. Aufl. 2021, § 25 HGB Tz. 112ff.; Merkt, in Hopt, HGB, 42. Aufl. 2023, § 25 HGB Rz. 113.
[3] Merkt, in Hopt, HGB, 42. Aufl. 2023, § 25 HGB Rz. 63; umfassend Thiessen, in MüKo-HGB, 5. Aufl. 2021, § 25 HGB Rz. 57ff.
[5] vgl. Merkt, in Hopt, HGB, 42. Aufl. 2023, § 25 HGB Rz. 13ff.
[6] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, vor § 69 AO Tz. 25a.

1.2 Umfang der Haftung

Nach § 25 HGB wird für alle im Betrieb begründeten Verbindlichkeiten gehaftet. Darunter fallen:

  • alle betrieblichen Steuern[1] – dies kann im Einzelfall auch die Kfz-Steuer sein,
  • betrieblich veranlasste Grunderwerbsteuer, Versicherungsteuer,
  • die Haftung für steuerliche Nebenleistungen, § 25 HGB geht damit weiter als § 75 AO.

Die Haftung kann durch Eintragung ins Handelsregister oder durch Mitteilung an die Gläubiger ausgeschlossen werden (§ 25 Abs. 2 HGB).[2] Die Eintragung ins Handelsregister oder die entsprechende Mitteilung muss im zeitlichen Zusammenhang mit der Übertragung des Handelsunternehmens erfolgen. Mehrere Monate dürfen wohl nicht überschritten werden.[3] Ein Ausschluss der Haftung nach § 25 HGB führt indes nicht dazu, dass auch die Haftung nach § 75 AO entfällt. § 25 HGB kennt außer der Verjährung (s. dazu § 26 HGB) keine zeitlichen Schranken.

[1] nicht aber für die KSt des ehemaligen Betriebsinhabers im Einzelfall, BFH Urteil v. 6.4.2016, I R 19/14, BFH/NV 2016 S. 1491; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, vor § 69 AO Rz. 26.
[2] Vgl. Thiessen, in MüKo-HGB, 5. Aufl. 2021, § 25 HGB Tz. 92ff.
[3] Im Einzelnen Thiessen, in MüKo-HGB, 5. Aufl. 2021, § 25 HGB Tz. 96.

2 Haftung des Erben

Wird ein zum Nachlass gehörendes Handelsunternehmen vom Erben fortgeführt, so gilt § 25 HGB entsprechend (§ 27 HGB), es sei denn, die Fortführung des Unternehmens wird innerhalb von 3 Monaten nach Kenntniserlangung von der Erbschaft eingestellt (§ 27 Abs. 2 HGB). Zu beachten ist, dass § 27 HGB auch in den Fällen der beschränkten Erbenhaftung greift.[1]

[1] Einzelheiten bei Thiessen, in MüKo-HGB, 5. Aufl. 2021, § 27 HGB Tz. 3ff.; Merkt, in Hopt, HGB, 42. Aufl. 2023, § 27 HGB Rz. 1ff.

3 Haftung beim Erbschaftskauf

Beim Erbschaftskauf verkauft ein Miterbe seinen ihm durch eine Erbfall zugefallenen Miterbenanteil an einen Dritten. In diesen Fällen haftet der Käufer des Miterbenanteils neben dem Verkäufer (§ 2382 Abs. 1 BGB). Durch Vereinbarung zwischen dem Käufer und Verkäufer kann diese Haftung nicht abbedungen oder beschränkt werden.[1]

[1] Vgl. Weidlich, in Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 2382 B...

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