Die im Gutachten zu machenden Ausführungen sollten stets von dem Gedanken getragen sein, dass das Gutachten Gegenstand richterlicher Rechtsfindung sein soll und die Grundlage eines Urteils darstellt. Ein Gutachten benötigt daher einen logischen Gedankenaufbau, bei dem der Sachverständige Schritt für Schritt auf das Ergebnis des Gutachtens hinarbeitet und dieses als Resultat seiner Untersuchungen und Überlegungen am Ende präsentiert. Es versteht sich von selbst, dass der Gutachter seine Feststellungen sachlich und unparteiisch und in klarer und eindeutiger Ausdrucksweise vornimmt. Dabei ist der sog. Gutachtenstil einzuhalten:

  1. Bei Anwendung des Gutachtenstils wird zu Beginn die zu beantwortende Rechtsfrage aufgeworfen und im Folgenden unter Heranziehung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften im Wege der Subsumtion beantwortet. Es wird also gewissermaßen in einem Obersatz eine These aufgestellt.
  2. Anschließend werden die Voraussetzungen dargestellt, unter denen der Obersatz richtig ist.
  3. Sodann wird der vorgefundene Sachverhalt daraufhin überprüft, ob er die dargestellten Voraussetzungen erfüllt.
  4. Durch diese Überprüfung wird dann das Ergebnis ermittelt.
 
Praxis-Beispiel

Gutachterliche Ausführungen

Im Rahmen eines Gebührengutachtens ist die Angemessenheit einer für die Anfertigung der Umsatzsteuerjahreserklärung berechneten 7/10 Gebühr nach § 24 Abs. 1 Nr. 8 StBVV zu beurteilen. Die gutachterlichen Ausführungen dazu können folgendermaßen gefasst werden:

"Fraglich ist, ob die vom Steuerberater berechnete 6/10 Gebühr nach § 24 Abs. 1 Nr. 8 StBVV für die Anfertigung der Umsatzsteuerjahreserklärung angemessen ist. Das setzt voraus, dass der Steuerberater die Bestimmung der Gebühr beanstandungsfrei vorgenommen hat. Nach § 11 StBVV bestimmt der Steuerberater die im Einzelfall angemessene Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der beruflichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Bei der Anfertigung einer Umsatzsteuerjahreserklärung handelt es sich üblicherweise um eine Tätigkeit von mittlerem bis gehobenem Schwierigkeitsgrad und Umfang, für die im Mindesten der Ansatz der Mittelgebühr gerechtfertigt ist. Im vorliegenden Fall waren in nicht unerheblichem Umfang unentgeltliche Wertabgaben, innergemeinschaftliche Erwerbe und innergemeinschaftliche Lieferungen sowie Exporte zu berücksichtigen. Daher ist im vorliegenden Fall von einer Tätigkeit mit gehobenem Schwierigkeitsgrad und Umfang auszugehen, für die der Ansatz einer Gebühr im oberen Gebührenrahmen angemessen ist. Bei einem Gebührenrahmen von 1/10 – 8/10 beträgt die Mittelgebühr 4,5/10. Unter Berücksichtigung des darauf zu machenden Aufschlags wegen des vorliegenden gehobenen Schwierigkeitsgrads und Umfangs erscheint die Berechnung einer 6/10 Gebühr durch den Steuerberater gerechtfertigt. Die berechnete Gebühr ist daher angemessen und nicht zu beanstanden."

Wie ausführlich die Erörterungen zu erfolgen haben, hängt davon ab, wie problematisch oder streitig einzelne Voraussetzungen sind. Eine angemessene Gewichtung der Erörterungen trägt zur Verständlichkeit des Gutachtens bei. Völlig unproblematische Voraussetzungen sind kurz abzuhandeln, wobei in diesem Fall auch vom Gutachtenstil abgewichen werden darf und ohne umfangreiche Erörterungen Feststellungen getroffen werden dürfen. Problematische Punkte sind nach allen für das Ergebnis relevanten in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu erörtern, um ein logisch begründetes, an objektiven Kriterien ausgerichtetes Ergebnis zu finden.

Der Verständlichkeit des Gutachtens förderlich ist die Bildung von kurzen, prägnanten Sätzen.

 
Praxis-Beispiel

Phrasen vermeiden, die auf Unsicherheiten hindeuten

Ausdrücke und Phrasen wie "unzweifelhaft", "selbstverständlich", "man könnte noch erwägen" oder ähnliches deuten auf Unsicherheiten bei der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts hin und haben in einem Gutachten grundsätzlich nichts zu suchen.

Bei der Verwendung von Fachausdrücken muss sich der Sachverständige vor Augen führen, dass das Gericht ihn wegen seiner Sachkunde herangezogen hat und insoweit auf dem Gebiet des Gutachtens selbst keine Sachkenntnis besitzt. Fachausdrücke sind daher zu erläutern.

 
Praxis-Beispiel

Investitionsabzugsbetrag ist ein Fachausdruck und sollte erläutert werden

Bei Erstellung eines Gutachtens zur Höhe des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens eines Selbstständigen wird zur Überleitung des steuerlichen Einkommens auf das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen der geltend gemachte Investitionsabzugsbetrag dem steuerlichen Einkommen wieder hinzugerechnet. Der Begriff des Investitionsabzugsbetrags sowie seine Funktion und Auswirkung sollten dem Gericht kurz und prägnant erläutert werden.

Stützt der Sachverständige seine gutachterlichen Feststellungen auf Gerichtsurteile oder Beiträge in Fachzeitschriften, können diese – nachprüfbar – und unter Einhaltung einer Rango...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge