Die ESt für Kapitalerträge nach § 20 EStG ist grundsätzlich durch die Erhebung der KapErtSt abgegolten (§ 43 Abs. 5 S. 1 Halbs. 1 EStG).

Der Steuerpflichtige kann zur Regelbesteuerung optieren, wenn dies für ihn günstiger ist (§ 32d Abs. 6 EStG). Auf Antrag werden dann anstelle der Anwendung des besonderen Steuersatzes die nach § 20 EStG ermittelten Einkünfte aus Kapitalvermögen den übrigen Einkünften hinzuaddiert und der tariflichen ESt unterworfen (Veranlagungswahlrecht zur tarifären Belastung).

Dieser Antrag kann grundsätzlich ohne Einhaltung einer Frist bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung gestellt werden. Allerdings können antragsgebundene Vergünstigungen des EStG nach Bestandskraft der Steuerfestsetzung nur geltend gemacht werden, wenn eine Änderungsvorschrift zugunsten des Steuerpflichtigen eingreift.

Beachten Sie: Weder der Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG noch die nachträgliche Vorlage einer Steuerbescheinigung ist ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.

Die dem FA nach der ESt-Festsetzung bekannt gewordene Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen, die unter die Abgeltungsteuer fallen, ist eine neue Tatsache. Im Regelfall kommt es deswegen auf das "grobe Verschulden" des Steuerpflichtigen am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen an, weil bei der Beurteilung der "niedrigeren Steuer" i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO die mit 25 % abgeltend besteuerten Kapitalerträge in die Betrachtung einzubeziehen sind. Die Abgeltungsteuer und die im ESt-Bescheid festgesetzte ESt in Summe sind höher als die ESt, die bei Anwendung der Günstigerprüfung festzusetzen ist.

Beraterhinweis Daraus resultiert die Verpflichtung des Beraters, den Steuerpflichtigen nach eventuell abgeltend besteuerten Kapitalerträgen zu befragen und den Antrag dann rechtzeitig mit Abgabe der Erklärung zu stellen, wenn eine insgesamt niedrigere Steuer zu erwarten ist.

Werden neben den Kapitalerträgen mit inländischem Steuerabzug auch solche Kapitalerträge nacherklärt, die bisher noch nicht der KapErtSt unterlegen haben, ist offen, ob ein etwaiges Verschulden des Antragstellers nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 AO deswegen unbeachtlich ist, weil die Tatsachen i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 AO (nacherklärte Kapitalerträge, die erst aufgrund der Günstigerprüfung zu einer niedrigeren Steuer führten) in einem unmittelbaren oder mittelbaren sachlichen Zusammenhang mit Tatsachen i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (Kapitalerträge, die bisher noch nicht dem inländischen Steuerabzug unterworfen wurden) stehen. Gegen einen sachlichen Zusammenhang spricht, dass die Erzielung inländischer Kapitalerträge mit Steuerabzug nicht von einer Erzielung weiterer Kapitalerträge ohne Steuerabzug abhängt.

Werden nach Eintritt der Bestandskraft der Steuerfestsetzung in einem Änderungsbescheid geänderte Besteuerungsgrundlagen in einer Weise berücksichtigt, dass ein Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG – erstmals erfolgreich – gestellt werden kann, handelt es sich um ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.

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