Häufige und beträchtliche Änderungen der ESt-Festsetzung ergeben sich nach erstmaligem Eintritt der Bestandskraft infolge der geänderten Zurechnung von Beteiligungseinkünften, die im Folgebescheid nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO berücksichtigt werden. Mindern sich die Einkünfte insoweit, kann die tarifliche Besteuerung erstmals günstiger sein als die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes von 25 %.

Die geänderte Höhe der Einkünfte nach Eintritt der Bestandskraft,

In dem Verfahren VIII R 6/17[17] waren dem Kläger in einer gesonderten und einheitlichen Feststellung (zunächst) erhebliche Einkünfte als Mitunternehmer zugerechnet worden. In seiner ESt-Erklärung stellte er für die von ihm erzielten Kapitaleinkünfte keinen Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG, weil eine Hinzurechnung der Kapitalerträge zu den gesondert festgestellten Einkünften nicht zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung geführt hätte.

In einer späteren gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen wurden für den Kläger Einkünfte i.H.v. 0 EUR festgestellt. In der Folge erging ein nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO geänderter ESt-Bescheid, in dem der Ansatz der Kapitalerträge unverändert blieb. Im Einspruchsverfahren gegen den Änderungsbescheid stellte der Kläger erstmals den Antrag auf Günstigerprüfung.

Wird ein Antrag auf Günstigerprüfung

  • erstmals nach Ergehen eines Änderungsbescheids gestellt und
  • lässt sich hierdurch eine Steuerminderung erzielen,

kann dieser nach § 351 Abs. 1 Halbs. 2 AO nur berücksichtigt werden, soweit die Bestandskraft der Steuerfestsetzung aufgrund einer verfahrensrechtlichen Änderungsvorschrift (etwa §§ 172 ff. AO) zugunsten des Antragstellers durchbrochen werden kann.

Rückwirkendes Ereignis: Werden nach Eintritt der Bestandskraft der Steuerfestsetzung in einem Änderungsbescheid geänderte Besteuerungsgrundlagen in einer Weise berücksichtigt, dass ein Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG – erstmals erfolgreich – gestellt werden kann, handelt es sich um ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO. Durch den Erlass des Änderungsbescheids verändert sich nach Eintritt der Bestandskraft der maßgebliche Sachverhalt für die Beurteilung der Frage, ob die Hinzurechnung der Kapitaleinkünfte zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung führt[18].

Beraterhinweis Der Umstand, dass es der Steuerpflichtige nach Ergehen des Änderungsbescheids auch unterlassen kann, einen Antrag auf Günstigerprüfung zu stellen und er die höhere Belastung seiner Kapitaleinkünfte hinnehmen kann, ohne dass die Steuerfestsetzung für das Streitjahr hierdurch rechtswidrig würde, spricht nicht gegen die Korrekturbedürftigkeit der bestandskräftigen Steuerfestsetzung. Würde man eine Korrekturmöglichkeit nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ablehnen, wäre für einen Steuerpflichtigen, der nach Eintritt der Bestandskraft aufgrund eines Änderungsbescheids erstmals einen erfolgreichen Antrag auf Günstigerprüfung stellen kann, die effektive Ausübung des Wahlrechts gänzlich ausgeschlossen.

Vorstehendes gilt auch für umgekehrten Fall: Die vorstehenden Grundsätze gelten aber auch für den umgekehrten Fall. Werden aus der gleichen oder aus anderen Beteiligungen später wieder oder erstmals höhere Einkünfte zugerechnet, und fällt deswegen die Günstigerprüfung negativ aus, wäre der ESt-Bescheid erneut zu ändern und die Einkünfte aus Kapitalvermögen würden der Abgeltungsteuer unterliegen.

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