Leitsatz

1. Bodenrichtwerte sind für die Bestimmung des Bodenwerts geeignet, wenn sie für eine Bodenrichtwertzone ermittelt sind, in der das Grundstück liegt. Sind für ein Anliegergrundstück ein Straßen‐ und ein Platzwert anwendbar, ist im Rahmen einer Einzelbewertung zu entscheiden, in welchem Umfang das Grundstück jeweils dem Straßen- und dem Platzwert zuzuordnen ist.

2. Die zeitliche Anwendbarkeit der WertV und der ImmowertV richtet sich danach, ob sie am Bewertungsstichtag in Kraft waren. Für Bewertungsstichtage bis 30.6.2010 sind die Vorschriften der WertV anwendbar. Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ist für die Anwendung der Verordnungen nicht von Bedeutung.

 

Normenkette

§ 198 BewG, §§ 194ff. BauGB, § 7 Abs. 1 Satz 1, §§ 13 ff. WertV

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Alleinerbe des am 1.6.2009 verstorbenen Erblassers. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem 1/3-Miteigentumsanteil an einem Grundstück, das mit mehreren unterschiedlich genutzten Gebäudeteilen bebaut ist.

Mit Feststellungsbescheid auf den 1.6.2009 stellte das FA für das Grundstück einen nach der standardisierten Methode gemäß §§ 176 bis 197 BewG berechneten Grundbesitzwert fest.

Der Einspruch, mit dem der Kläger durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens den Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts begehrte, blieb erfolglos.

Während des anschließenden Klageverfahrens vor dem FG reichte der Kläger zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ein neues, im Jahr 2017 erstelltes Gutachten eines anderen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ein. Dieser führte in dem Gutachten u.a. aus, es sei in Anlehnung an die §§ 192 bis 198 BauGB i.V.m. den Vorschriften der ImmoWertV erstellt worden. Er zog bei der Ermittlung des Bodenwerts den Bodenrichtwert für einen anderen Straßenabschnitt und eine andere Bodenrichtwertzone und bei der Ermittlung des Gebäudewerts die Liegenschaftszinssätze 2012 heran.

Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, auch das im Klageverfahren eingereichte Gutachten sei nicht geeignet, einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks nachzuweisen. Im Streitfall sei zwar die im Zeitpunkt der Gutachtenerstellung geltende ImmoWertV und nicht die am Wertermittlungsstichtag gültige WertV maßgebend. Das im Klageverfahren vorgelegte Gutachten verletze aber die Vorgaben der ImmoWertV (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.11.2017, 3 K 3208/14, Haufe-Index 11523220, EFG 2018, 436).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers führte zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass für die Wertermittlung des Grundstücks auf den Stichtag 1.6.2009 die Vorgaben der ImmoWertV und nicht diejenigen der WertV zu beachten seien. Abweichend von dem Gutachten könnten der für einen anderen Straßenabschnitt und eine andere Bodenrichtwertzone ermittelte Bodenrichtwert und die Liegenschaftszinssätze 2012 bei der Bewertung nicht herangezogen werden. Dem Kläger sei Gelegenheit zu geben, das im FG-Verfahren eingereichte Gutachten nachzubessern.

 

Hinweis

Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten, durch den ein niedrigerer gemeiner Grundstückswert nachgewiesen werden soll.

1. Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 BewG ermittelte Wert, so ist dieser Wert anzusetzen (§ 198 Satz 1 BewG). Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten grundsätzlich die aufgrund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften (§ 198 Satz 2 BewG). Der Steuerpflichtige trägt insoweit die Nachweislast.

2. Ein Sachverständigengutachten ist regelmäßig zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks geeignet, wenn es unter Beachtung der maßgebenden Vorschriften ordnungsgemäß erstellt wurde. Zur Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens gehören sowohl dessen methodische Qualität als auch eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen.

Die Anforderungen an die methodische Qualität des Wertgutachtens ergeben sich im Wesentlichen aus den §§ 194ff. BauGB. Daneben sind die WertV i.V.m. den Wertermittlungsrichtlinien i.d.F. der Bekanntmachung vom 1.3.2006 (Bundesanzeiger 2006 Nr. 108a, berichtigt durch Nr. 121) oder nunmehr die ImmoWertV vom 19.5.2010 (BGBl I 2010, 639) – die die WertV ab dem 1.7.2010 abgelöst hat (vgl. § 24 ImmoWertV) – zu beachten.

Die zeitliche Anwendbarkeit der auf § 199 Abs. 1 BauGB beruhenden Rechtsverordnungen richtet sich danach, ob sie am Bewertungsstichtag in Kraft waren. Da die WertV bis zum 30.6.2010 in Kraft war, sind für Bewertungsstichtage bis dahin ihre Vorschriften anwendbar. Für Bewertungsstichtage ab dem 1.7.2010 sind die Vorschriften der ImmoWertV maßgebend. Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ist für die zeitliche Anwendung der WertV und der ImmoWertVnicht von Bedeutung.

3. Der BFH befasst sich im Urteil mit verschiedenen, für die Praxis bedeutsamen Fragen der Wertermittlung:

a) Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 WertV ...

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